Mit pestizidfreien Ernährungssystemen zu mehr Geschlechtergerechtigkeit!

Besserer Zugang von Frauen zu Land und natürlichen Ressourcen, Ende der Abhängigkeit von chemischen Pestiziden, Stärkung kleinbäuerlicher Saatgutsysteme und Umstieg auf Agrarökologie fördern Geschlechter- und Klimagerechtigkeit.

Die Verletzlichkeit und Marginalisierung von Frauen in ländlichen Gebieten des globalen Südens nimmt mit anhaltender Abhängigkeit von chemischen Inputs zu. Zugleich haben Frauen eine entscheidende Rolle bei der Minimierung von Pestizidschäden und Umweltzerstörung. Die Stärkung von Frauen und Mädchen trägt daher wesentlich zu klimagerechten Ernährungssystemen bei.

Weltweit 385 Millionen akute Pestizidvergiftungen jährlich

Es gibt keine genauen Daten dazu, wie hoch der Frauenanteil unter den rund 385 Millionen Bäuer*innen und Landarbeiter*innen ist, die jährlich akute Pestizidvergiftungen erleiden. Mit dem enormen Anstieg des weltweiten Pestizideinsatzes müssen die besonderen Auswirkungen auf Frauen und Mädchen jedoch klar berücksichtigt werden: In einigen Regionen des Globalen Südens arbeitet mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in der Landwirtschaft. Dabei sind sie häufig zum Teil hochgefährlichen Pestiziden ausgesetzt, deren Anwendung in der EU zwar verboten ist, die aber dennoch hier hergestellt und gewinnbringend exportiert werden.

Den giftigen Auswirkungen durch Pestizide sind Frauen direkt und indirekt ausgesetzt: Direkt, indem sie entweder als Landarbeiterinnen die Mittel meist mit mangelhafter oder gar keiner Schutzausrüstung aufbringen, oder indem sie daran beteiligt sind, die Pestizide zu mischen, die behandelten Pflanzen zu ernten oder pestizidgetränkte Kleidung zu waschen. Indirekt, da sie zumeist aufgrund zugewiesener traditioneller Geschlechterrollen für die Pflege erkrankter Familienmitglieder zuständig sind und daher pestizidvergiftete Personen in der Gemeinschaft versorgen müssen.

Pestizide beeinträchtigen Frauen in besonderer Weise

Pestizide beeinträchtigen die körperliche, psychische und reproduktive Gesundheit von Frauen in besonderer Weise. Mehrere Studien belegen, dass der Kontakt mit Pestiziden bei Frauen zu Abweichungen ihres Monatszyklus, höheren Tot- und Fehlgeburten sowie verschiedenen Schäden bei ungeborenen Kindern führt. Häufig arbeiten Schwangere bis zum 6. Monat auf den Feldern weiter ohne Schutz vor giftigen Chemikalien.

Pestizide gehören zu den Hauptfaktoren, die die Zerstörung biologischer Vielfalt und die Klimakrise befeuern. Deren Auswirkungen der treffen Frauen in ländlichen Gebieten erwiesenermaßen besonders empfindlich, gerade in Regionen, in denen sie ohnedies stärker unter Hunger und Mangelernährung leiden. Frauen sind aber nicht nur Betroffene, sondern sie haben auch eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, nachhaltige Lösungen für klimaresistente und vielfältige Ernährungssysteme zu entwickeln, da häufig sie es sind, die traditionelle und biodiverse Saatgutsysteme wahren, ökologische Anbaumethoden wählen und durch abwechslungsreiche Ernährung wesentlich zur Gesundheit ihrer Gemeinschaften beitragen.

Pestizidfreie Ernährungssysteme stärken Geschlechter- und Klimagerechtigkeit

"Besserer Zugang von Frauen zu Land und natürlichen Ressourcen, der Ausstieg aus der Abhängigkeit von Pestiziden, die Stärkung kleinbäuerlicher Saatgutsysteme und der Umstieg auf Agrarökologie fördern sowohl Geschlechter-, als auch Klimagerechtigkeit", weist Tina Wirnsberger, FIAN-Referentin für Klima und Frauen auf die Schnittstelle von Frauen, Pestiziden, Klima und Ernährung, auf die Zusammenhänge von Frauenrechten, Ernährung und Klima hin.

Es braucht daher nicht nur für den Kampf für Ernährungssouveränität, sondern auch gegen die Klimakrise entschlossene Maßnahmen, um die Pestizidbelastung von Frauen in ländlichen Gebieten zu minimieren. Das schließt das Verbot aller hochgefährlichen Pestizide (HHP) ebenso ein wie einheitliche strenge Regulierungen für den Export von chemischen Mitteln, deren Anwendung in der EU aus gutem Grund verboten ist.

Lieferkettengesetz: Agrochemiekonzerne in Verantwortung nehmen

„Österreich und die EU-Staaten müssen ihren menschenrechtlichen Pflichten nachkommen und Agrochemiekonzerne für die Schäden an Gesundheit und Umwelt und die Menschenrechtsverletzungen, die sie mit synthetischen Pestiziden anrichten, durch ein Lieferkettengesetz in die Verantwortung nehmen“, schließt Wirnsberger an das Netzwerk für Soziale Verantwortung (NeSoVe) und WIDE an, deren Mitglied FIAN Österreich ist und die am heutigen internationalen Frauentag gemeinsam die Verankerung von Frauenrechten im EU-Lieferkettengesetz fordern.

Rückfragen an Tina Wirnsberger

Hunger.Macht.Profite.12 Tour im Herbst 2023

Braucht es Pestizide, um die Welt zu ernähren? Wie können Genossenschaften dabei helfen, ein demokratisches Agrar- und Lebensmittelsystem aufzubauen - und das auch im Kongo? Was können wir gegen Lebensmittelbetrug tun? Und wie bringen wir den Mut auf, die Machtverhältnisse zu verändern? Das globale Ernährungssystem befindet sich in einer tiefgreifenden Krise. Doch das bedeutet auch eine Chance für Veränderung!

Partizipative Prozesse und deren Einfluss in der Ernährungswende

Partizipative Prozesse ermöglichen es unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen eine Stimme zu geben. Im Frühjahr 2022 hat FIAN Österreich gemeinsam mit den europäischen Sektionen in Belgien, Portugal, Schweden und FIAN International, sowie der Organisation Observatori Desc eine Kartierung (Mapping) gestartet, um Beispiele für partizipative Prozesse zu erforschen, die nachhaltige Lebensmittelsysteme fördern. 

Gute Wertschöpfung auf kleinen Höfen!

Als Teil unseres COACH Projekts lernen wir gemeinsam mit Kleinbäuer:innen, Ernährungsräten und lokalen Strukturen der öffentlichen Verwaltung, wie wir nachhaltige Lebensmittelsysteme stärken und faire Agrar- und Lebensmittelketten durch innovative Methoden unterstützen können. Ende Februar organisierten wir ein Tagesseminar, in dem wir mit 50 Kleinbäuer:innen über Strategien sprachen, um kleine und mittelgroße Höfe so zu bewirtschaften, dass sie als Kleinbäuer:innen ein gutes Leben haben. Unsere Inputgeberin, Michaela Jancsy, erzählt im Interview wie sie ihren Gemüsebetrieb führt.

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