Maßnahmen gegen COVID-19 bevorzugen industrielles Lebensmittelsystem auf Kosten von Kleinbäuer*innen

FIAN legt den zweiten Monitoring-Bericht über die Auswirkungen von COVID-19 auf das Menschenrecht auf Nahrung vor. Er baut auf weltweite Recherchen und beleuchtet die Auswirkungen der Pandemie sowie positive zivilgesellschaftliche Solidaritätsaktionen in rund 30 Ländern.  

Der aktuelle Bericht unterstreicht, dass die Konzentration der COVID-19 Maßnahmen auf das industrielle Ernährungssystem eine Reihe von Bevölkerungsgruppen und Berufssparten noch weiter in Hunger und Mangelernährung drängt. Zudem resultiert die Spekulation mit Lebensmittelpreisen in zahlreichen Ländern in bis zu vierfachen Preiserhöhungen, was Nahrungsmittel für Millionen Menschen unzugänglich macht.

Kleinbäuer*innenrechte: Regierung in der Pflicht

„Die Rechte von Kleinbäuer*innen werden durch die einseitige Bevorzugung des industriellen Ernährungssystems während der Pandemie, die das lang bestehende strukturelle Ungleichgewicht verschärft hat, gravierend verletzt. Umso wichtiger ist es, nationale Gesetze und Politiken entlang der Rechte von kleinbäuerlichen Erzeuger*innen und Landarbeiter*innen auszurichten. Auch die österreichische Bundesregierung ist hier in Bezug auf ihre Agrar-, Entwicklungs- und Handelspolitik in der Pflicht“, betont Tina Wirnsberger von FIAN Österreich und verweist auf die UN-Erklärung für die Rechte von Kleinbäuer*innen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten.

Die Begünstigung von Supermärkten, teilweise gewaltsam durchgesetzte Ausgangssperren und die Schließung lokaler Märkte, wie sie in Ecuador, Kolumbien, Simbabwe, Senegal, Mosambik und den USA dokumentiert wurden, führten zum gänzlichen Einkommensverlust für Kleinbäuer*innen, Fischer*innen und andere Menschen, die am Land arbeiten. Tonnen von Ernte und Vieh mussten vernichtet bzw. eingeschläfert werden, Millionen von Menschen blieben ohne Zugang zu frischen, abwechslungsreichen und gesunden Nahrungsmitteln zurück.

Ausbeuterische Arbeitsbedingungen beenden

COVID-19 bringt auch die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen von – häufig migrantischen – Arbeiter*innen in der industriellen Landwirtschaft und Fleischproduktion ans Licht der Öffentlichkeit. Die bekannt gewordenen Fälle von Erntearbeiter*innen in Österreich oder in großen Schlachtbetrieben in Deutschland sind keine Einzelfälle, sondern zeigen die jahrelange Praxis struktureller Diskriminierung im agrarindustriellen Ernährungssystem.

Die Pandemie und ihre Auswirkungen zeigen deutlich, dass ein industrielles, auf Ausbeutung von Mensch und Umwelt basierendes Ernährungssystem nicht widerstandsfähig ist. FIAN setzt sich umso mehr dafür ein, dass kleinbäuerliche, in Zeiten des Klimawandels krisenfeste Landwirtschaft und das Recht auf ausreichende und angemessene Ernährung gestärkt werden. Erfreulich ist, dass in den Lockdowns auch zahlreiche zivilgesellschaftliche Solidaritätsaktionen entstanden sind und sowohl in ländlichen Gebieten, als auch in Städten lokale Gemeinschaften und soziale Bewegungen das Recht auf Nahrung sichergestellt haben.

Der englischsprachige Bericht zum Download: https://fian.at/de/publikationen/bestellen-download/st-2020-covid19final/

Rückfragen an: tina.wirnsberger@fian.at

Indien: Kleinbäuer:innen in Odisha weiterhin von Vertreibung und Umweltzerstörung bedroht

Seit 2005 protestiert die Landbevölkerung im Bezirk Jagatsinghpur (Bundestaat Odisha) gegen Umweltzerstörung und die unrechtmäßige Aneignung ihres Landes. Dort sollen Industrieanlagen und Infrastruktur – darunter Stahl- und Zementwerke, ein Kraftwerk und ein Hafen – errichtet werden. FIAN Österreich rief in Zusammenarbeit mit FIAN International im März 2022 zu einer Briefaktion auf, um mehr als 40.000 Kleinbäuer*innen, Landarbeiter*innen und Fischer*innen vor dem Verlust ihrer Lebensgrundlagen zu schützen. Zu Jahresbeginn berichtet der Sprecher der Bewegung von Polizeirepression, gewaltsamen Übergriffen und zunehmenden Festnahmen und erneuert dringend die Forderungen.

Das Recht auf Nahrung in Europa

Die Ernährungsunsicherheit und Armut nehmen weltweit zu. Auch in Europa. Nach Schätzungen von Eurostat waren 21,7% der EU-Bevölkerung im Jahr 2021 armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Viele stellen sich u.a. die Frage: Heizen oder Essen? Die existierenden Maßnahmen und Programme kommen für viele zu kurz. Es ist essenziell, dass die Staaten den Zugang zu einer selbstbestimmten, angemessenen und ausreichenden Ernährung sichern.

Mikrofinanzkrise: OECD-Beschwerde gegen Oikocredit

Mikrokredite entpuppen sich in Kambodscha seit Jahren als Schuldenfalle. Während sie europäischen Investoren Profite bringen, führen sie vor Ort zu Landverlust, Armut und Menschenrechtsverletzungen. Trotzdem hat der sogenannte „ethische“ Investor Oikocredit seine Investitionen in Kambodscha sogar noch erhöht. Drei NGOs legen daher nun Beschwerde gegen Oikocredit bei der OECD ein.

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