EU-Strategie „Farm to Fork“: Menschenrechte ins Ernährungssystem!

Ein faires, gesundes und umweltfreundliches Ernährungssystem kann nur erreicht werden, wenn statt Profit die Menschen mit ihren Interessen und Rechten im Vordergrund stehen.

Foto: FIAN

Europäische Ernährungspolitik menschenrechtlich gestalten

FIAN Österreich, die Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung, begrüßt, dass die EU-Kommission heute die Farm to Fork-Strategie präsentiert hat. In ihrer Mitteilung stellt die Kommission keinen geringeren Anspruch als ein „faires, gesundes und umweltfreundliches Ernährungssystem, das Vorbild für die ganze Welt sein soll“.

„Das kann nur ein Ernährungssystem erreichen, das die Interessen der Menschen und ihre Rechte in den Vordergrund stellt. Ein wesentlicher Schritt dazu ist die vollständige Implementierung der UN-Erklärung für Kleinbäuer*innen-Rechte in die europäische Agrar-, Handels- und Entwicklungspolitik“, betont Tina Wirnsberger, Projektleiterin bei FIAN Österreich.

„COVID-19 führte uns vor Augen, wie anfällig ein vom Agribusiness und wenigen multinationalen Konzernen abhängiges Agrar- und Ernährungssystem ist. Aus dieser Krise müssen wir lernen.“ Gemeinsam mit anderen NGOs wandte sich FIAN deshalb bereits am 7. Mai in einem Offenen Brief mit Forderungen und Lösungsansätzen für eine Politik im Sinne von Kleinbäuer*innen an Agrarministerin Elisabeth Köstinger und Außenminister Alexander Schallenberg.

Agrarbusiness verschärft Mangelernährung

Ein vom Agribusiness dominiertes Agrar- und Ernährungssystem basiert auf großflächiger Produktion, Monokulturen, genetisch verändertem Saatgut und Pflanzen, der Monopolisierung von Produktion und Vertrieb. Es hat direkte Auswirkungen auf die Menschen, die vom Land, den Wäldern, der Fischgründen und der Viehhaltung leben – durch Land Grabbing und Vertreibung, Wasser und Bodendegradierung oder Verminderung der Biodiversität.

Die industrielle Landwirtschaft ist ein zentraler Verursacher der Klimawakrise, dessen Auswirkungen wiederum besonders Kleinbäuer*innen zu spüren bekommen. Für Menschen in urbanen Gebieten bedeutet dies eine Verminderung der Auswahl an Nahrungsmitteln, Versorgungssicherheit und gehaltvollen Lebensmitteln. Diese Entwicklung gefährdet unsere Ernährung grundlegend. Farm to Fork birgt Potenzial für eine Trendwende – vorausgesetzt es gelingt, Profitinteressen aus den politischen Entscheidungsgremien des Ernährungssystems zurückzudrängen, um legitimen demokratischen Prozessen Raum zu geben, in denen die Menschen und ihre Interessen, Rechte und Bedürfnisse im Zentrum stehen.

Im Einsatz für das Recht auf Nahrung 

FIAN macht sich für eine Politisierung der Ernährung stark und setzt sich für einen Abbau bestehender Macht- und Herrschaftsverhältnisse ein, welche die treibenden Kräfte hinter Hunger, Mangelernährung und der durch COVID-19 drohenden Nahrungskrise sind. FIAN International hat seit 1989 Beraterstatus bei den Vereinten Nationen und nutzt diesen Status zum einen bei den Menschenrechtsinstitutionen in Genf, zum anderen bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO). FIAN ist aktiv im zivilgesellschaftlichen Mechanismus des Welternährungssicherungsrates (Committee on World Food Security). Dort setzen wir uns insbesondere für eine Stärkung des Menschenrechts auf Nahrung in der Welternährungspolitik und das Mitspracherecht von Kleinbäuer*innen und anderen Menschen in ländlichen Gebieten und besonders der von Hunger und Unterernährung Betroffenen und ihrer Organisationen ein. 

Rückfragen: tina.wirnsberger@fian.at

Offener Brief zur Umsetzung der UN-Erklärung für Rechte von Kleinbäuer*innen und anderen Menschen, die in ländlichen Gebieten arbeiten: https://fian.at/de/artikel/covid-19-aus-krise-lernen-ngos-fordern-politik-im-sinne-von-kleinbauer-innen/

Partizipative Prozesse und deren Einfluss in der Ernährungswende

Partizipative Prozesse ermöglichen es unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen eine Stimme zu geben. Im Frühjahr 2022 hat FIAN Österreich gemeinsam mit den europäischen Sektionen in Belgien, Portugal, Schweden und FIAN International, sowie der Organisation Observatori Desc eine Kartierung (Mapping) gestartet, um Beispiele für partizipative Prozesse zu erforschen, die nachhaltige Lebensmittelsysteme fördern. 

Gute Wertschöpfung auf kleinen Höfen!

Als Teil unseres COACH Projekts lernen wir gemeinsam mit Kleinbäuer:innen, Ernährungsräten und lokalen Strukturen der öffentlichen Verwaltung, wie wir nachhaltige Lebensmittelsysteme stärken und faire Agrar- und Lebensmittelketten durch innovative Methoden unterstützen können. Ende Februar organisierten wir ein Tagesseminar, in dem wir mit 50 Kleinbäuer:innen über Strategien sprachen, um kleine und mittelgroße Höfe so zu bewirtschaften, dass sie als Kleinbäuer:innen ein gutes Leben haben. Unsere Inputgeberin, Michaela Jancsy, erzählt im Interview wie sie ihren Gemüsebetrieb führt.

Indien: Kleinbäuer:innen in Odisha weiterhin von Vertreibung und Umweltzerstörung bedroht

Seit 2005 protestiert die Landbevölkerung im Bezirk Jagatsinghpur (Bundestaat Odisha) gegen Umweltzerstörung und die unrechtmäßige Aneignung ihres Landes. Dort sollen Industrieanlagen und Infrastruktur – darunter Stahl- und Zementwerke, ein Kraftwerk und ein Hafen – errichtet werden. FIAN Österreich rief in Zusammenarbeit mit FIAN International im März 2022 zu einer Briefaktion auf, um mehr als 40.000 Kleinbäuer*innen, Landarbeiter*innen und Fischer*innen vor dem Verlust ihrer Lebensgrundlagen zu schützen. Zu Jahresbeginn berichtet der Sprecher der Bewegung von Polizeirepression, gewaltsamen Übergriffen und zunehmenden Festnahmen und erneuert dringend die Forderungen.

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