Zuckerboom in Kambodscha – FIAN nimmt Fall wieder auf

Handelsinitiativen brauchen effektive Rahmenbedingungen für Schutz der Menschenrechte: EU kündigt Untersuchungskommission und eventuellen Entzug von Handelspräferenzen bei Feststellung von Menschenrechtsverletzungen an.

Foto: Schild in Kampot, Kambodscha (c) FIAN

Die Handelsinitiative „Alles außer Waffen“ (Everything But Arms) ist eine Flagschiff-Initiative der Europäischen Union (EU), die 2001 vor dem Hintergrund der Millennium-Entwicklungsziele verabschiedet wurde. Unter dem Slogan „Hilfe zum Handel“ (Aid for Trade) wird Handel als Entwicklungsmotor betont, der Armut verringern, Arbeitsplätze schaffen und den Wohlstand erhöhen soll. EBA gestattet 49 Ländern, die als die am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries) eingestuft werden, vollen zoll- und quotenfreien Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Der Marktzugang für Zucker wurde im Oktober 2009 vollständig liberalisiert. Das ist insofern von Bedeutung, da die EU einen Mindestpreis für Zucker garantiert.

2006 war der Zuckerrohranbau noch vernachlässigbar in Kambodscha, 2012 waren schon mehr als 100 000 Hektar für den Zuckerrohranbau an agro-industrielle Firmen verpachtet. Von 2009 bis 2011 stieg der Wert der jährlichen Zuckerexporte von 51.000 auf 13.8 Millionen USD, 92% des Zuckers wurden in die EU geliefert. Das wurde ermöglicht, indem tausenden der ärmsten Familien des Landes mit Gewalt ihr Zugang zu Land – und damit ihre Existenzgrundlage – genommen wurde.

Seit 2006 vergibt die kambodschanische Regierung Land im Rahmen der Economic Land Concessions (ELC) an private Konzerne für die agro-industrielle Zuckerrohrproduktion. Seit 2009, mit dem Start der EBA, hat sich dieser Trend verstärkt.

Dorfbewohner*innen protestieren für Landrechte

2009 kamen Unternehmensvertreter und informierten die Dorfbewohner*innen schlicht, dass die Wälder gerodet, die Reisfelder aber nicht angetastet würden. Etwa 300 Dorfbewohner*innen protestierten gegen dieses Vorgehen und zogen vor den Sitz des Unternehmens und vor den Gemeinderat, um eine formelle Anerkennung ihrer legalen Besitzrechte im Vorfeld jeglicher Aktivitäten des Unternehmens einzufordern. Während diese Forderung ignoriert wurde, begann der Konzern 2010 neben den Wäldern auch noch Reisfelder und Häuser zu zerstören. Die Dorfbewohner*innen sammelten 1.350 Daumen-abdrücke für eine Petition gegen dieses Projekt.

Seit August 2010 hat die Zivilgesellschaft, einschließlich der betroffenen Gemeinden, formal und wiederholt große Bedenken gegenüber der EU bezüglich EBA als Triebfeder von Landraub und Menschenrechtsverletzungen im agro-industriellen Sektor vorgebracht. Seit 2011 fordert FIAN zusammen mit kambodschanischen und internationalen Organisationen eine Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Kambodscha. Im September 2012 wurde ein weiterer Appell der betroffenen Gemeinden den Mitgliedern des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission überreicht. Bereits im September 2012 forderten die betroffenen Gemeinden direkt vom damaligen Handelskommissar Karel de Gucht, „die Diskriminierung gegenüber der durch Zucker betroffenen und vertriebenen Gemeinden zu beenden“ und in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen „die Situation sofort zu untersuchen“. Darüber hinaus forderten sie eine temporäre Aussetzung der EBA Handelsvorteile, zumindest für Zucker.

 

Immer wieder hat die EU-Handelskommissarin einer Untersuchung des sogenannten „Blutzucker“ aus Kambodscha eine Absage erteilt. Selbst mehrere Aufforderungen des Europaparlamentes wurden ignoriert. Die damalige Handelskommissarin Cecilia Malström erklärte am 5. Oktober 2018 öffentlich, die formale Untersuchung einzuleiten: „Heute haben die Hohe Vertreterin der EU Federica Mogherini und ich Kambodscha informiert, dass wir einen Prozess zum Entzug der Handelspräferenzen einleiten werden. Ohne klare und evidente Verbesserungen vor Ort wird dies zur Aussetzung der Handelspräferenzen führen, die sie aktuell genießen.“ Die offizielle Entscheidung der EU-Kommission darüber wird am 12.2.2019 erwartet.

Partizipative Prozesse und deren Einfluss in der Ernährungswende

Partizipative Prozesse ermöglichen es unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen eine Stimme zu geben. Im Frühjahr 2022 hat FIAN Österreich gemeinsam mit den europäischen Sektionen in Belgien, Portugal, Schweden und FIAN International, sowie der Organisation Observatori Desc eine Kartierung (Mapping) gestartet, um Beispiele für partizipative Prozesse zu erforschen, die nachhaltige Lebensmittelsysteme fördern. 

Gute Wertschöpfung auf kleinen Höfen!

Als Teil unseres COACH Projekts lernen wir gemeinsam mit Kleinbäuer:innen, Ernährungsräten und lokalen Strukturen der öffentlichen Verwaltung, wie wir nachhaltige Lebensmittelsysteme stärken und faire Agrar- und Lebensmittelketten durch innovative Methoden unterstützen können. Ende Februar organisierten wir ein Tagesseminar, in dem wir mit 50 Kleinbäuer:innen über Strategien sprachen, um kleine und mittelgroße Höfe so zu bewirtschaften, dass sie als Kleinbäuer:innen ein gutes Leben haben. Unsere Inputgeberin, Michaela Jancsy, erzählt im Interview wie sie ihren Gemüsebetrieb führt.

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