Wenn die Sonne einen Schatten wirft
Eine neue Forschungsstudie beleuchtet die menschenrechtlichen Risiken der Multi-Stakeholder-Partnerschaft Scaling up Nutrition (SUN)
Foto: FIAN
In den vergangenen zwei Jahrzehnten florierten „Multi-Stakeholder"-Partnerschaften und –Plattformen. Der private Sektor, insbesondere transnationale Unternehmen und Philanthropen wie die Gates-Stiftung, gelten in diesem Kontext als „Schlüsselakteure". Wie beeinflusst diese aufkommende Neigung zu "Multi-Stakeholder"-Modellen die Politik und die Gestaltung nationaler Agenden? Was sind die Auswirkungen auf UN-Organisationen und Regierungen die im öffentlichen Interesse versuchen zu regulieren? Und nicht zuletzt, welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Fähigkeit der Menschen, ihre legitimen Rechte einzufordern?
Die neue Forschungsstudie „When the SUN casts a shadow" (Wenn die Sonne einen Schatten wirft) von FIAN International, IBFAN und SID untersucht den Fall von Scaling up Nutrition (SUN) - eine 2010 gegründete Multi-Stakeholder-Initiative, deren erklärte Mission es ist, „die Unterernährung in all ihren Formen zu beenden". Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass SUN nicht die Lebensbedingungen der am stärksten von Hunger und Unterernährung betroffenen Menschen zum Besseren verändert, sondern ihre Situation der Vulnerabilität und Marginalisierung sogar noch verschlechtern- und zusätzliche Menschenrechtsrisiken schaffen könnte.
SUN ermutigt Unternehmen, sich dem Kampf gegen Unterernährung als „kluge Investition" anzuschließen. Zu den 23 transnationalen Mitgliedern des SUN Business Network gehören Unternehmen wie Mars, PepsiCo, DSM, Ajinomoto, Kellogg's und Cargill, von denen viele führende Hersteller von ultra-verarbeiteten Lebensmitteln und Snacks sind. Das vermeintlich positive Image von SUN unterstützt allerdings letztlich die obersten strategischen Prioritäten dieser Unternehmen: Gewinne zu maximieren und dabei traditionelle Lebensmittelmuster und -kulturen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen in ihrem Sinne zu verändern.
Stefano Prato, Geschäftsführer des SID, kommentiert die Veröffentlichung:
„Wir wissen, dass viele Regierungen und Organisationen der Zivilgesellschaft der SUN in gutem Glauben und aus den richtigen Gründen beigetreten sind: um die Geißel der Unterernährung zu beenden. Niemand von uns stellt dieses Ziel in Frage. Wir hoffen nur, dass diese Studie die Risiken aufzeigt, die der Struktur und dem Ansatz der SUN innewohnen und die so oft unbemerkt bleiben".
Die Studie analysiert erstmals sowohl die Funktionsweise der SUN auf globaler Ebene sowie ihren Einfluss und ihre Auswirkungen auf Länderebene anhand des Rechtsrahmens für das Recht auf angemessene Nahrung und Ernährung. Die Ergebnisse basieren auf Primärdaten, die in Uganda, Guatemala und Indien gesammelt wurden sowie auf einer umfassenden Überprüfung der Sekundärquellen.
Ausgewählte Ergebnisse der Studie:
SUN fördert der Studie zufolge Ernährungsansätze, die kurzfristige medizinisch-technische Lösungen bevorzugen;
SUN fördert intensive Landwirtschaft und Technologien wie die Biofortifikation, die der Nahrungsmittel- und Agroindustrie zugutekommen;
SUN vernachlässigt die kommerziellen Ursachen der Unter- und Überernährung und durch ihre Schwerpunktsetzung auf Nahrungsmittelanreicherung und marktgesteuerte Ansätzen kann das Vertrauen in nachhaltige, kulturell angepasste lokale Nahrungsmittel untergraben werden;
SUN hat durch ihre Eingriffe nur begrenzten Einfluss auf die Verringerung von Unterernährung, während sie gleichzeitig negative Auswirkungen auf die Menschenrechte hat;
SUN verbesserter Zugang des Privatsektors zu und Einfluss auf die Festlegung der Ernährungspolitik im Einklang mit dem Modell des Weltwirtschaftsforums, das in seiner Initiative zur globalen Neugestaltung umrissen wurde;
SUN versucht die Illusion einer breiten und inklusiven „gesellschaftlichen Bewegung" zu erzeugen, ist aber in Wirklichkeit eine öffentlich-private Mischform, die einen stärkeren Einfluss von Unternehmen in öffentliche Angelegenheiten legitimiert;
SUN geht nicht sinnvoll auf die Anliegen der am stärksten von Hunger und Unterernährung betroffenen Gemeinschaften ein und untergräbt die Bemühungen derjenigen, die effektive Regelungen für Interessenkonflikte fordern.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die Redaktion:
Laura Michéle, FIAN International: michele@fian.org
Stefano Prato, SID: stefanop@sidint.org
Patti Rundall, IBFAN: prundall@babymilkaction.org
Für Medienanfragen wenden Sie sich bitte an delrey@fian.org.
Hier finden Sie die Vollversion der Studie (EN)
Weiterführende Literatur: Von der Vielfalt zum Mangel (Studie)