Verfassung ohne soziale Rechte: Eine Hundertjährige auf Höhe der Zeit?

FIAN mahnt anlässlich des Jubiläums der österreichischen Verfassung die längst ausständige Verankerung sozialer Menschenrechte im Bundesverfassungsgesetz ein.

 

Blickt man zurück auf die Finanzkrise 2008, infolge derer die Zahl der Langzeitarbeitslosen erst nach fünf Jahren ihren Höchststand erreichte, so weiß man: Die Folgen der COVID-Krise sind in Österreich noch lange nicht ausgestanden. Nun war bereits im Juni 2020 eine Rekordzahl an Personen arbeitslos gemeldet, erneute Kündigungswellen und ein starker Rückgang der Wirtschaftsleistung sind zu erwarten. Wird nicht durch den Ausbau des Sozialstaates gegengesteuert, so ist mit der Verarmung großer Bevölkerungsgruppen zu rechnen.

Das 100-jährige Jubiläum der österreichischen Verfassung wird am 1. Oktober im Angesicht dieser massiv armutsgefährdenden Auswirkungen der COVID-19-Krise begangen. Zu diesem Anlass fordert die Menschenrechtsorganisation FIAN die Regierung auf, nicht noch länger mit der Umsetzung ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen zu warten. Damit Arbeitslose und von Firmenpleiten betroffene Klein- und Mittelunternehmer nicht zu Bittsteller*innen und Almosenempfänger*innen werden müssen, braucht es umgehend die gesetzliche Verankerung sozialer Menschenrechte in der Bundesverfassung.

Der Grundrechtekatalog in der Verfassung stammt noch aus dem Staatsgrundgesetz von 1876 und enthält keine sozialen Menschenrechte. Auch im Verfassungskonvent von 2003 bis 2005 konnte sich die damalige große Koalition nicht auf die Verankerung sozialer Rechte einigen. Schon seit der Ratifizierung des internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte im Jahr 1978 hat sich Österreich jedoch dazu verpflichtet, die in diesem internationalen Menschenrechtsvertrag verbrieften Rechte wie das Recht auf soziale Sicherheit und das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard fortschreitend umzusetzen. Es ist also allerhöchste Zeit, dieser Verpflichtung nachzukommen.

Die Auswirkung der jahrzehntelangen Versäumnisse treten nun in der Krise besonders deutlich zutage. Auf Corona Unterstützungsleistungen besteht kein Rechtsanspruch, bürokratische Hürden erschweren für viele betroffene Personen den Zugang. Wie viel der versprochenen Milliarden tatsächlich abgeholt werden konnten, bleibt bisher im Dunkeln. „Abgesehen von den Zuschüssen an die Wirtschaft braucht es eine höhere Ersatzrate beim Arbeitslosengeld und eine Deckelung der Mieten, damit sich in unserem Land nicht Hunger und Wohnungslosigkeit ausbreiten“, so Lisa Sterzinger, stellvertretende Vorsitzende von FIAN Österreich.

Das Sozialhilfegrundsatzgesetz, welches bereits vom Verfassungsgerichtshof in den menschenrechtwidrigen Bestimmungen gekippt wurde, muss umgehend vom Gesetzgeber reformiert werden. Damit unsere Verfassung wirksam gegen Armut wird, fordert FIAN die Bundesregierung auf, die im Regierungsprogramm vorgesehene Reform des Grundrechtekatalogs endlich anzugehen und dabei den Fokus auf soziale Menschenrechte zu legen. „Für die Überwindung der sozialen Ungleichheit und eine menschenwürdige Zukunft - auch benachteiligter Gruppen - in Österreich ist die gesetzliche Verankerung sozialer Menschenrechte unerlässlich“, schließt Angelina Reif, FIAN Österreich-Vorsitzende.

FIAN wird beim Momentum Kongress, der am 16. und 17. Oktober online stattfindet, das Potential gesetzlich verankerter sozialer Menschenrechte für Österreich präsentieren. Gasthörer*innen für den Thementrack 1 „Res Publica“ am Sa, 17. Okt., können sich noch anmelden. www.momentum-kongress.at

FIAN ist seit 2014 aktives Mitglied der Armutskonferenz und engagiert sich dort vor allem in der Arbeitsgruppe „Soziale Rechte“. Weitere Informationen zur Arbeit mit Menschenrechten gegen soziale Armut finden Sie hier

Oikocredit: Mediation über Menschenrechtsverletzungen im kambodschanischen Mikrofinanzsektor ohne Einigung

Am 24.1. scheiterte die Mediation zwischen des drei NGOs und Oikocredit. Die Mediation war nach einer OECD-Beschwerde bei der niederländischen Nationalen Kontaktstelle (NKS) im Dezember 2022 wegen Menschenrechtsverletzungen im kambodschanischen Mikrofinanzsektor eingeleitet worden. Die drei NGOs FIAN Deutschland, Euqitable Cambodia und LICADHO haben dazu eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht. 

Sri Lanka-Nahrungskrise und Sparprogramme

Eine der jüngsten und zugleich sehr aktiven FIAN-Sektionen befindet sich in Sri Lanka. Das südasiatische Land wurde im vergangenen Jahr von einer schweren Wirtschaftskrise erschüttert, mit verheerenden Auswirkungen auf die Bevölkerung. Viele Haushalte haben sich verschuldet, um die steigenden Preise für Lebensmittel, Medikamente und Kraftstoffe zahlen zu können. FIAN Sri Lanka setzt sich für die Rechte von marginalisierten Bevölkerungsgruppen, Bäuerinnen und Bauern sowie Fischer:innen ein und kooperiert hierbei auch mit Behörden. Sabine Pabst (FIAN International) sprach mit dem Geschäftsführer Thilak Karyawasam und dem Vorstandsvorsitzenden Sathivel Visvalingam.

FIAN-Partner fördern Agrarökologie

Die indonesische Bauerngewerkschaft SPI unterstützt ihre Mitglieder bei der Umstellung auf Agrarökologie. Die steigenden Preise für Düngemittel und Pestizide machen diesen Schritt für mehr und mehr Landwirte attraktiv. FIAN Deutschland-Referent Mathias Pfeifer und FIAN Deutschland-Geschäftsführer Philipp Mimkes besuchten zwei Schulungszentren, in denen der ökologische Anbau, die Eigenproduktion von Düngemitteln sowie Vertriebskonzepte vermittelt werden. Dank hoher Erträge können die Bäuerinnen und Bauern selbst auf kleinsten Parzellen erfolgreich wirtschaften.  

 

Recherchereise in Indonesien: Widerstand gegen Geothermie-Kraftwerk auf der Insel Flores

Anfang März besuchte der FIAN Deutschland-Südostasienreferent indigene Gemeinden auf der Insel Flores. Diese sind von negativen Auswirkungen eines Geothermie-Kraftwerks betroffen, darunter Landkonflikte, Ernteeinbrüche sowie erhöhte Gefahr von Erdrutschen. Das von der deutschen KfW Entwicklungsbank finanzierte Kraftwerk soll nun nochmals erweitert und vergrößert werden. Die indigenen Gemeinden lehnen dies entschieden ab. Ihr Widerstand gegen das Projekt wird mit Einschüchterung und Polizeigewalt beantwortet.

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