Kambodscha: Von deutscher Bundesregierung geförderte Studie bestätigt gravierende Probleme im Mikrokreditsektor

Eine vom deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderte Studie bestätigt das Problem der weitverbreiteten Überschuldung in Kambodscha durch Mikrokredite. Dieses führt zu einer „bedenklich hohen“ und „nicht akzeptablen“ Zahl von Landverkäufen. Wichtige Geber des kambodschanischen Mikrofinanzsektors sind verschiedene europäische und multinationale Entwicklungsbanken sowie private „ethische“ Investoren wie Oikocredit, Triodos Bank, Invest in Visions, Vision Microfinance und mit kleineren Beträgen die Bank im Bistum Essen und GLS Bank.
 

Die Studie zeigt, dass mehr als 167.000 kambodschanische Haushalte in den letzten fünf Jahren Land verkaufen mussten, um Kredite zurückzuzahlen. FIAN, die Kambodschanische Liga zur Förderung und Verteidigung der Menschenrechte (LICADHO) und Equitable Cambodia fordern die  Geber des Mikrofinanzsektors auf, endlich ihrer Verantwortung nachzukommen und unverzüglich konkrete Maßnahmen zu ergreifen.

Seit Mitte 2019 haben kambodschanische Menschenrechtsgruppen mehrere Berichte veröffentlicht, die die schwerwiegenden Auswirkungen der Mikrokredit-Überschuldungskrise aufzeigen. Die vom Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) durchgeführte Studie „Mikro“finanzierung in Kambodscha: Entwicklungen, Herausforderungen und Empfehlungen liefert hierfür weitere Belege.
Die Studie, die vom BMZ in Auftrag gegeben wurde, um „statistische Evidenz“ zur Überschuldung in Kambodscha zu gewinnen, umfasste eine Haushaltsbefragung, Gruppendiskussionen mit Dorfbewohner*innen und Interviews mit lokalen Behörden in 24 Dörfern. Sie ergab unter anderem:

  • eine sehr hohe durchschnittliche Kredithöhe von 5.183 US Dollar bei den verschuldeten Haushalten, von denen viele sehr arm sind (mit jährlichen Zinssätzen von 18 Prozent plus Gebühren für Mikrokredite);
  • fast die Hälfte der verschuldeten Haushalte hat Rückzahlungsschwierigkeiten;
  • von den Haushalten mit Rückzahlungsschwierigkeiten haben 13 Prozent berichtet, dass sie in den letzten fünf Jahren Land verkaufen mussten, um Kredite zurückzuzahlen (hochgerechnet auf alle Kreditnehmer*innen würde dies 33.480 schuldengetriebene Landverkäufe pro Jahr bedeuten);
  • „in einer Reihe von Fällen“ wurden Kreditnehmer*innen Opfer von Menschenrechtsverletzungen;
  • eine Reduzierung der Ausgaben für Lebensmittel kommt häufig vor;
  • Teilnehmer*innen der Gruppendiskussionen und lokale Behörden gaben an, dass Kinder aus der Schule genommen werden, um für die Rückzahlung von Krediten zu arbeiten.

Die Analyse bestätigt weiterhin, dass der kambodschanische Mikrofinanzsektor stark gesättigt ist, was zu einem massiven Wettbewerb zwischen den Anbietern führt. Aggressive Tür-zu-Tür-Kreditwerbung sowie ein übermäßiger Rückgriff auf Land als Sicherheit für Mikrokredite ist gängige Praxis. Die INEF-Forscher kommen zu dem Schluss, dass zwischen 25 und 50 Prozent der 2,8 Millionen verschuldeten Haushalte in Kambodscha überschuldet sind – ähnlich dem Befund einer Studie aus dem Jahr 2017, die unter anderem vom BMZ finanziert wurde.

Die INEF-Studie macht eine Reihe von Empfehlungen, wie z. B. einen generellen Schuldenerlass für sehr arme Haushalte, die Kündigung von Verträgen und Entschädigungen für Haushalte, die in Fällen grober Fahrlässigkeit von Kreditinstituten zum Verkauf von Land gezwungen wurden, sowie die Einschränkung der Verwendung von Landtiteln als Kreditsicherheit. Da die meisten der vorgeschlagenen Maßnahmen zweifellos eine gewisse Zeit benötigen, um ihre Wirkung zu entfalten, und angesichts der Tatsache, dass jeden Tag bis zu 100 kambodschanische Haushalte ihr Land verkaufen müssen, um Kredite zurückzuzahlen, fordern LICADHO, Equitable Cambodia und FIAN erneut, dass die Hunderttausenden Landtitel, welche die Kreditinstitute als Sicherheit eingezogen haben, unverzüglich an die Mikrokreditnehmer*innen zurückgegeben werden. Dies würde den Druck auf die Haushalte erheblich verringern und die Zahl der erzwungenen Landverkäufe reduzieren.

Link zur Studie

Kontakt:

Lukas Schmidt, FIAN Österreich
E-Mail: lukas.schmidt@fian.at

Mathias Pfeifer, FIAN Deutschland
E-Mail: m.pfeifer@fian.de

Naly Pilorge, LICADHO
Tel.: (+855) 12 214 454 (Englisch)

 

 

Oikocredit: Mediation über Menschenrechtsverletzungen im kambodschanischen Mikrofinanzsektor ohne Einigung

Am 24.1. scheiterte die Mediation zwischen des drei NGOs und Oikocredit. Die Mediation war nach einer OECD-Beschwerde bei der niederländischen Nationalen Kontaktstelle (NKS) im Dezember 2022 wegen Menschenrechtsverletzungen im kambodschanischen Mikrofinanzsektor eingeleitet worden. Die drei NGOs FIAN Deutschland, Euqitable Cambodia und LICADHO haben dazu eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht. 

Sri Lanka-Nahrungskrise und Sparprogramme

Eine der jüngsten und zugleich sehr aktiven FIAN-Sektionen befindet sich in Sri Lanka. Das südasiatische Land wurde im vergangenen Jahr von einer schweren Wirtschaftskrise erschüttert, mit verheerenden Auswirkungen auf die Bevölkerung. Viele Haushalte haben sich verschuldet, um die steigenden Preise für Lebensmittel, Medikamente und Kraftstoffe zahlen zu können. FIAN Sri Lanka setzt sich für die Rechte von marginalisierten Bevölkerungsgruppen, Bäuerinnen und Bauern sowie Fischer:innen ein und kooperiert hierbei auch mit Behörden. Sabine Pabst (FIAN International) sprach mit dem Geschäftsführer Thilak Karyawasam und dem Vorstandsvorsitzenden Sathivel Visvalingam.

FIAN-Partner fördern Agrarökologie

Die indonesische Bauerngewerkschaft SPI unterstützt ihre Mitglieder bei der Umstellung auf Agrarökologie. Die steigenden Preise für Düngemittel und Pestizide machen diesen Schritt für mehr und mehr Landwirte attraktiv. FIAN Deutschland-Referent Mathias Pfeifer und FIAN Deutschland-Geschäftsführer Philipp Mimkes besuchten zwei Schulungszentren, in denen der ökologische Anbau, die Eigenproduktion von Düngemitteln sowie Vertriebskonzepte vermittelt werden. Dank hoher Erträge können die Bäuerinnen und Bauern selbst auf kleinsten Parzellen erfolgreich wirtschaften.  

 

Recherchereise in Indonesien: Widerstand gegen Geothermie-Kraftwerk auf der Insel Flores

Anfang März besuchte der FIAN Deutschland-Südostasienreferent indigene Gemeinden auf der Insel Flores. Diese sind von negativen Auswirkungen eines Geothermie-Kraftwerks betroffen, darunter Landkonflikte, Ernteeinbrüche sowie erhöhte Gefahr von Erdrutschen. Das von der deutschen KfW Entwicklungsbank finanzierte Kraftwerk soll nun nochmals erweitert und vergrößert werden. Die indigenen Gemeinden lehnen dies entschieden ab. Ihr Widerstand gegen das Projekt wird mit Einschüchterung und Polizeigewalt beantwortet.

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