Zwei Mal enteignet, kein Mal entschädigt
Vertriebene klagen an
Kampala/ Hamburg – Im Klageverfahren von 401 vertriebenen Familien für die Kaweri Kaffeeplantage, einem Tochterunternehmen der deutschen Neumann Kaffee Gruppe, ist das gerichtlich angeordnete Mediationsverfahren weiterhin in der Schwebe. Seit 18 Jahren warten die Betroffenen auf Gerechtigkeit. Das ist umso skandalöser, als die bisherigen Argumente von Unternehmen und ugandischem Staat, die Vertriebenen seien entschädigt und umgesiedelt worden, von einer FIAN-Referentin vor Ort im Gespräch mit einer Betroffenen widerlegt werden konnten.
„Ich bin zweimal vertrieben worden, ohne entschädigt zu werden. Mein Leben hat sich dadurch erheblich verschlechtert“, so die sechzigjährige Joyce Namakula, die 2001 von ugandischen Soldaten von ihrem Land vertrieben wurde, um Platz für die Kaweri Kaffeeplantage zu machen. Bei der Vertreibung verschwand eines ihrer zehn Kinder, dessen Verbleib nach wie vor unbekannt ist. Trotz erlittenem Unrecht und Leid gelang es der Witwe durch harte Arbeit und Sparen ein kleines Grundstück in der benachbarten Gemarkung zu kaufen und eine neue Existenz aufzubauen. Doch 17 Jahre nach der Vertreibung für die Kaweri Plantage wurde sie im Oktober 2018 erneut ohne Entschädigung vertrieben.
Deutschland und Uganda…
„Ihre Geschichte verdeutlicht, dass die Mär vom alternativen Land, auf das die Vertriebenen der Kaweri Kaffeeplantage angesiedelt worden seien, falsch ist“, kommentiert FIAN-Referentin Gertrud Falk, die sich gerade vor Ort befindet, um das vom ugandischen Staat angeordnete Mediationsverfahren zwischen den Parteien zu begleiten. Die Hoffnungen der Betroffenen im Rahmen dieses Verfahrens endlich zu ihrem Recht zu kommen, sind groß. Doch in der Gerichtsverhandlung vom 2. Dezember hat der Richter am Hohen Gericht in Kampala die Frist noch einmal um zwei Wochen bis zum 16. Dezember verlängert.
Denn die ugandische Regierung und die Neumann Kaffee Gruppe haben auf die Forderungen der im Jahr 2001 gewaltsam vertriebenen Kläger*innen noch immer nicht reagiert. „Ein Unternehmen wie die Neumann Gruppe, das sich selbst als weltweit führender Rohkaffee-Dienstleister bezeichnet, verzögert die Entschädigung von Menschen, die unter Hunger und Armut leiden“, so Falk, sei beschämend. Sie findet es „skandalös“, dass das Unternehmen bisher kein Angebot auf den Tisch gelegt hat – noch dazu im Lichte der Erkenntnisse, dass die Geschichte der angeblichen Entschädigungen erfunden war.
… verzögern Mediationsverfahren
Weder der ugandische noch der deutsche Staat wurden bisher ihren menschenrechtlichen Pflichten gerecht: Uganda müsste dafür sorgen, dass die Rechte der Betroffenen wiederhergestellt und sie angemessen entschädigt werden. Deutschland müsste zum einen das Unternehmen in der Weise regulieren, dass es Wiedergutmachung leistet, und zum anderen den Vertriebenen Zugang zum deutschen Justizwesen ermöglichen. Die Betroffenen fordern 3,8 Mrd. Ugandische Schilling (ca. 930.000 EUR) für den verursachten Sachschaden sowie pro Familie 30 Millionen Schilling (ca. 7300 EUR), damit diese je 10 Morgen Land (ca. 2,5 Hektar) kaufen können. Im Gegenzug sind sie bereit, ihre Landrechte auf das von der Kaweri Kaffeeplantage gepachtete Land abzutreten.
FIAN hat eine Studie über Langzeitfolgen für die Betroffenen der Menschenrechtsverletzung in Fall Kaweri erstellt. Von 2014 bis 2019 hat ein Team von FIAN fünfmal vor Ort recherchiert und Vertriebene und Schulleiter zu den Lebensbedingungen seit der Vertreibung befragt. Diese berichten über Hunger und Armut, fehlenden Zugang zu Trinkwasser, unzureichende Wohnsituation und Bildungschancen, auseinanderbrechende Familien sowie Gewalt gegen Frauen. Mitautorin Falk resümiert: „Die Recherche zeigt, dass die Zeit diese Menschenrechtsverletzungen nicht heilt. Im Gegenteil: sie verschärfen sich zunehmend aufgrund des fehlenden Zugangs zu Agrarland und Wasser“.
Kontakt:
Melanie Oßberger, melanie.ossberger@fian.at, 0650/ 7002820