In dieser Ausgabe legen wir besonderes Augenmerk auf das Recht auf Nahrung in Südostasien. Es handelt sich dabei um eine Schwerpunktregion unserer Fallarbeit. In den letzten Ausgaben haben wir vermehrt über die Mikrofinanzkrise in Kambodscha berichtet. Nun möchten wir auf den Landraub im Kontext des Zuckerrohranbaus hinweisen. In einem Interview mit Marina Wetzlmaier erklärt Joseph Purugganan zudem die Ursachen für die globale Ernährungskrise und erläutert deren Auswirkungen in den Philippinen. Darüber hinaus berichten wir von einem spannenden agrarökologischen Projekt in Indonesien, das zwei Kollegen von FIAN Deutschland kürzlich besucht haben. Anlässlich des 75. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10.12.2023 weist die UN-Sonderberichterstatterin zur Lage der Menschenrechtsverteidiger:innen eindringlich darauf hin, dass viele Menschen im Kampf für Menschenrechte tagtäglich um ihr Leben fürchten. Sie fordert, dass Staaten ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen wahrnehmen und solche Angriffe nicht ungestraft bleiben. Auch FIAN Österreich fordert weiterhin vehement, dass Menschenrechte vor Profite gestellt werden. 75 Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte braucht es hierfür noch immer unseren vollen Einsatz.
Das EU-Lieferkettengesetz rückt in greifbare Nähe. Nachdem die EU-Kommission im Februar 2022 einen Vorschlag vorgelegt hat, laufen in den EU-Institutionen die Verhandlungen. Damit gibt es das historische Potenzial, eine Kehrtwende im Welthandel einzulegen und mit „sauberen Wertschöpfungsketten“ eine rechtlich verankerte Verbesserung für die betroffenen Menschen zu erreichen. In dieser Ausgabe widmen wir uns daher unterschiedlichen Facetten der verbindlichen Konzernregulierung. Wir beleuchten das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das seit Beginn des Jahres in Kraft ist. Wir zeigen, wie zentral Klimasorgfaltspflichten für ein EU-Lieferkettengesetz sind und verweisen auf die Notwendigkeit, den Finanzsektor streng zu erfassen. Letzteres wird auch anhand der OECD-Beschwerde gegen Oikocredit International deutlich. Ein starkes Lieferkettengesetz, das den Finanzsektor integriert kann den Menschen in Kambodscha helfen. Wir geben außerdem Updates zu unseren aktuellen Fällen in Indien, Uganda und den Philippinen und setzen uns kritisch mit dem Ernährungssystem in Indonesien auseinander. Zum Abschluss erwartet Sie ein Interview mit Michaela Jancsy, die einen spannenden Einblick in ihren Gemüsebetrieb gibt.
Die Menschenrechtsorganisationen LICADHO, Equitable Cambodia und FIAN Deutschland haben am 12.12.2022 bei der Nationalen Kontaktstelle für OECD-Leitsätze der niederländischen Regierung Beschwerde gegen Oikocredit International eingereicht. Dem ethischen Investor mit Hauptsitz in den Niederlanden wird vorgeworfen, weiter in großem Stil in kambodschanische Mikrofinanzinstitute (MFI) investiert zu haben, obwohl die weitverbreitete Überschuldung und deren absehbare negative Folgen vom UN-Generalsekretär, von lokalen und internationalen Menschenrechtsgruppen, Journalist:innen und sogar von einer durch Oikocredit selbst unterstützten Studie bereits 2017 bestätigt wurden. Trotzdem erhöhte Oikocredit das Kambodscha-Portfolio von EUR 50 Millionen im Jahr 2017 auf mehr als EUR 67 Millionen im September 2022. Kambodscha ist damit nach Indien nun das zweitgrößte Investitionsland für Oikocredit.
Durch den russischen Angriffskrieg offenbart das globalisierte Ernährungssystem erhebliche Schwächen: Der notwendige Import von Nahrungsmitteln, Düngern und Pestiziden stellt für eine Vielzahl von Ländern des Globalen Südens angesichts krisenbedingter Preissteigerungen eine enorme Herausforderung dar. Aber auch in Österreich sind immer mehr Menschen auf Unterstützung angewiesen, um sich angemessen zu ernähren. Dies alles geschieht, nachdem das globalisierte Ernährungssystem in den vergangenen Jahrzehnten im Sinne der Konzerne neoliberal gestaltet wurde. Die daraus resultierende Abhängigkeit nimmt einer Vielzahl von Menschen die Möglichkeit, sich selbstbestimmt zu ernähren. Die vorliegende Ausgabe ist der Forderung nach einer grundlegenden Transformation dieses Ernährungssystems gewidmet. Nur so kann nachhaltig gegen die globale Ernährungskrise vorgegangen werden. Das bedeutet, dass die Vereinnahmung der Nahrungsmittelproduktion durch Profitinteressen beendet werden muss. Der Übergang zu Agrarökologie und die Stärkung lokaler Ernährungssysteme muss von politischen Entscheidungsträger:innen gefördert werden, um die Resilienz in Krisen zu erhöhen, Menschen eine selbstbestimmte Ernährung zu ermöglichen und agrarische Produktion klimagerecht zu gestalten.
Das Factsheet gibt einen Einblick in die aktuelle Überschuldungskrise in Kambodscha, die viele Kreditnehmer:innen dazu zwingt, ihr Land zu verkaufen. Bei Rückzahlungsschwierigkeiten der durch Land besicherten „Mikrokredite“ kommt es oftmals zu Landenteignungen und Vertreibungen. In weiterer Folge droht den Kreditnehmer:innen Hunger, da sie bei Landverlust auch ihre Lebensgrundlage verlieren. Die Kreditschulden eines kambodschanischen Haushaltes übertreffen das Doppelte des durchschnittlichen Jahreseinkommens. Vor allem Frauen tragen die Last der Verschuldungs-krise. Die kambodschanische Bäuerin, Chanty Kong, berichtet, dass sie einen neuen Kredit aufnehmen musste, um den ersten zurückzuzahlen. Wenn sie arbeiten geht, müssen sie ihre älteren Kinder zu Hause unterstützen und können nicht zur Schule gehen. Dieser Fall ist nur einer von vielen: 25 % aller Kambodschaner:innen sind bei MFIs verschuldet und in einer Abwärtsspirale gefangen. FIAN bleibt dran und fordert von den Akteuren der europäischen Entwicklungsbank sowie von privaten Kreditinstitutionen menschenrechtswidrige Praktiken einzudämmen und Präventionsmaßnahmen zu garantieren.
Das derzeitige Weltgeschehen macht fassungslos. Die Situation in der Ukraine zeigt die Gräuel des Krieges in erschreckendem Ausmaß auf. Gleichzeitig offenbart der russische Angriffskrieg die Verwundbarkeit eines Ernährungssystems, das von Konzernen dominiert wird und in der Produktion auf Pestizide und chemische Dünger setzt. Der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe widmet sich den Schäden durch weltweiten Pestizideinsatz und zeigt auf, dass ein zukunftsfähiges Ernährungssystem auf agrarökologischen Lösungen basieren muss, um für die großen Krisen unserer Zeit gewappnet zu sein. Zudem informieren wir über die Auswirkungen der steigenden Lebensmittelpreise in Österreich und dem Globalen Süden und geben Einblick in neue Entwicklungen in unserer Fallarbeit. Zehn Jahre nach Verabschiedung der UN-Landleitlinien ziehen wir außerdem Bilanz zum aktuellen Stand von Land Grabbing. So viel sei vorab verraten: Es ist nach wie vor notwendig, an die Staatengemeinschaft zu appellieren, endlich ihrer Verpflichtung zur Verwirklichung des Rechts auf Land nachkommen.
Gemeinsam mit einer Gruppe von Nichtregierungsorganisationen hat FIAN Österreich einen zivilgesellschaftlichen Parallelbericht über Österreichs extraterritoriale Staatenpflichten veröffentlicht. In den Beiträgen berichten die mitwirkenden Organisationen von den Auswirkungen ausgewählter österreichischer Politiken wie der Entwicklungs-, Steuer-, Rohstoff-, Agrar- und Ernährungs- und der Klimapolitik auf die WSK-Rechte in Ländern des Globalen Südens und geben Empfehlungen ab, wie die Regierung bestmöglich zur weltweiten Umsetzung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte beitragen kann. Folgende Organisationen haben den Parallelbericht gemeinsam verfasst: AG Globale Verantwortung, Dreikönigsaktion der katholischen Jungschar (DKA), FIAN Österreich, Licht für die Welt, Netzwerk Soziale Verantwortung, SOS Kinderdorf, VIDC, Welthaus Graz, WIDE.
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