Das Land denen, die es bearbeiten!

10. Jahre UN-Landleitlinien - über 100 Organisationen fordern Staatengemeinschaft auf, ihren Verpflichtungen zur Verwirklichung des Rechts auf Land nachkommen.

Foto: Ralf Leonhard

Die derzeitige Lage ist für Millionen von Bäuer:innen und Menschen, die auf dem Land leben und arbeiten, mehr als besorgniserregend. Die Corona-Pandemie hat ihre prekäre Ernährungs- und Einkommenssituation dramatisch verschlechtert und Landgrabbing weiter Vorschub geleistet, da viele Proteste unterbunden wurden und Kleinbäuer:innen ihr Land nicht betreten konnten. Zusätzlich bergen die Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine das Risiko, dass politische Entscheidungen unter dem Vorwand der Hungerkrisenbewältigung Landgeschäfte von Konzernen fördern. Einen neuerlichen Rekord an beispiellosem Land- und Ressourcenraub, wie ihn die letzte große Lebensmittelpreiskrise 2008 ausgelöst hat, gilt es entschieden zu verhindern.

Stärkung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft oberste Priorität

„Wenn wir eine Ernährungskrise abwenden und Hunger langfristig erfolgreich bekämpfen wollen, müssen umgehend Maßnahmen gegen die Verdrängung von Kleinbäuer:innen beschlossen werden. Die völkerrechtliche Grundlage dafür liegt mit den UN-Landleitlinien vor. Die Stärkung der bäuerlichen Landwirtschaft sollte oberste Priorität der österreichischen Agrar- und Entwicklungspolitik sein“, fordert Tina Wirnsberger von der Menschenrechtsorganisation FIAN. „Wir benötigen dringend einen Schub für die Umsetzung dieser Leitlinien in Österreich und weltweit.“

Die im Mai 2012 vom UN-Ausschuss für Welternährungssicherung (CFS) beschlossenen „Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern“ sind ein Meilenstein in der Entwicklungspolitik. Sie skizzieren, wie Landtransfers unter Achtung des Menschenrechts auf Nahrung sowie der Nutzungsrechte der lokalen Bevölkerung auszugestalten sind. Zwar haben einige Regierungen und internationale Institutionen, darunter die FAO, Programme und Förderungen zur Umsetzung der Landleitlinien initiiert, diese konzentrierten sich jedoch in den meisten Fällen auf technologische Ansätze, ohne die strukturellen Ursachen von Enteignung, Landkonzentration und der Zerstörung von Ökosystemen zu bekämpfen.  

Land muss zuallererst die Menschen ernähren

In vielen Ländern sehen wir den Trend zum Landgrabbing ungebrochen. Investoren haben in den vergangenen 25 Jahren im Globalen Süden weit über 80 Millionen Hektar Land gekauft. Häufig kommt es bei solchen Landtransfers zu gewaltsamen Zwangsräumungen und Vertreibungen von Kleinbäuer:innen ohne formelle Landtitel. Das Land wird in Folge nicht mehr von Bäuer:innen bewirtschaftet, sondern von Konzernen, die oftmals nicht einmal mehr Nahrungsmittel, sondern Pflanzen für die Herstellung von Bio-Sprit anbauen, obwohl aktuell noch immer mehr als 800 Millionen Menschen hungern.

„Land muss zuallererst die Menschen ernähren. Ohne Bäuerinnen und Bauern, ohne ihr breites Angebot an nahrhaften und leistbaren Nahrungsmitteln, werden wir Ernährungskrisen nicht überwinden. Wenn die Nahrungsmittelproduzent:innen verdrängt werden, nimmt der Hunger zu,“ so Wirnsberger.

Gemeinsam mit über 100 internationalen Organisationen richtet FIAN daher zum 10. Jahrestag der UN-Leitlinien für Landnutzungsrechte eine internationale Erklärung an die Staaten, die FAO und das UN-System. Das Statement wurde koordiniert vom International Planning Committee for Food Sovereignty (IPC).

 

An die österreichische Regierung appelliert die Menschenrechtsorganisation FIAN insbesondere:

1. sich für nationale und darüber hinaus für eine multilaterale Strategie zur Umsetzung der UN-Erklärung für die Rechte von Kleinbäuer:innen (UNDROP) und des Rechts auf Land einzusetzen;

2. sich für eine globale Landreform und zu definierende Landbesitzobergrenzen stark zu machen;

3. den Zusammenhang zwischen Landgrabbing, Landvertreibung, industrieller Landwirtschaft, Artensterben und Klimawandel anzuerkennen und für eine agrarökologische Landwende einzutreten.

 

Die volle Erklärung zum Download: We Belong to the Land!

Rückfragen an Tina Wirnsberger

 

"Die Agrarreform bleibt ein unerfülltes Versprechen"

Die vorherrschende Meinung sieht drei Hauptgründe für die anhaltenden Ernährungsprobleme: die Covid-Pandemie, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und den Klimawandel. Joseph Purugganan hingegen bezeichnet die globale Ernährungskrise als Folge der industriellen Landwirtschaft. Purugganan koordiniert das Philippinen-Programm von Focus on the Global South. Die Organisation ist eng verbunden mit sozialen Bewegungen in Asien und entwickelt Konzepte für einen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Wandel.

Oikocredit: Mediation über Menschenrechtsverletzungen im kambodschanischen Mikrofinanzsektor ohne Einigung

Am 24.1. scheiterte die Mediation zwischen des drei NGOs und Oikocredit. Die Mediation war nach einer OECD-Beschwerde bei der niederländischen Nationalen Kontaktstelle (NKS) im Dezember 2022 wegen Menschenrechtsverletzungen im kambodschanischen Mikrofinanzsektor eingeleitet worden. Die drei NGOs FIAN Deutschland, Euqitable Cambodia und LICADHO haben dazu eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht. 

Sri Lanka-Nahrungskrise und Sparprogramme

Eine der jüngsten und zugleich sehr aktiven FIAN-Sektionen befindet sich in Sri Lanka. Das südasiatische Land wurde im vergangenen Jahr von einer schweren Wirtschaftskrise erschüttert, mit verheerenden Auswirkungen auf die Bevölkerung. Viele Haushalte haben sich verschuldet, um die steigenden Preise für Lebensmittel, Medikamente und Kraftstoffe zahlen zu können. FIAN Sri Lanka setzt sich für die Rechte von marginalisierten Bevölkerungsgruppen, Bäuerinnen und Bauern sowie Fischer:innen ein und kooperiert hierbei auch mit Behörden. Sabine Pabst (FIAN International) sprach mit dem Geschäftsführer Thilak Karyawasam und dem Vorstandsvorsitzenden Sathivel Visvalingam.

FIAN-Partner fördern Agrarökologie

Die indonesische Bauerngewerkschaft SPI unterstützt ihre Mitglieder bei der Umstellung auf Agrarökologie. Die steigenden Preise für Düngemittel und Pestizide machen diesen Schritt für mehr und mehr Landwirte attraktiv. FIAN Deutschland-Referent Mathias Pfeifer und FIAN Deutschland-Geschäftsführer Philipp Mimkes besuchten zwei Schulungszentren, in denen der ökologische Anbau, die Eigenproduktion von Düngemitteln sowie Vertriebskonzepte vermittelt werden. Dank hoher Erträge können die Bäuerinnen und Bauern selbst auf kleinsten Parzellen erfolgreich wirtschaften.  

 

Recherchereise in Indonesien: Widerstand gegen Geothermie-Kraftwerk auf der Insel Flores

Anfang März besuchte der FIAN Deutschland-Südostasienreferent indigene Gemeinden auf der Insel Flores. Diese sind von negativen Auswirkungen eines Geothermie-Kraftwerks betroffen, darunter Landkonflikte, Ernteeinbrüche sowie erhöhte Gefahr von Erdrutschen. Das von der deutschen KfW Entwicklungsbank finanzierte Kraftwerk soll nun nochmals erweitert und vergrößert werden. Die indigenen Gemeinden lehnen dies entschieden ab. Ihr Widerstand gegen das Projekt wird mit Einschüchterung und Polizeigewalt beantwortet.

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