WEF Davos: Neue europäische Kampagne fordert Rechte für Menschen, Regeln für Konzerne!

Breite Allianz: Sonderklagerechte abschaffen, Konzerne zur Rechenschaft ziehen. Jetzt Petition unterzeichnen!

Presseaussendung Plattform Anders Handeln, 22.01.2019

Anlässlich des Auftakts des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos starten heute über 150 Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und soziale Bewegungen aus 16 europäischen Ländern die Kampagne „Rechte für Menschen, Regeln für Konzerne - Stopp ISDS“. Sie fordern die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, Sonderklagerechte für Konzerne grundsätzlich abzuschaffen sowie verbindliche Regeln einzuführen, mit denen Konzerne weltweit für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden können. Die Forderungen können via EU-weiter Petition unterzeichnet werden. In Österreich unterstützen über 150 Organisationen der Plattform „Anders Handeln – Globalisierung gerecht gestalten“ die Kampagne.

Auch Großsponsoren des WEF verklagen Regierungen

„Während die Konzernbosse von Vattenfall, Shell, Glencore und Co. in Davos für ihre Profitinteressen werben, verklagen sie mittels privilegierter Sonderjustiz Regierungen und untergraben damit eine Politik im öffentlichen Interesse“, kritisiert Alexandra Strickner von Attac Österreich. Mehr als vierzig der Industriepartner und Großsponsoren des Weltwirtschaftsforums waren an Konzernklagen gegen Staaten (Investor-state dispute settlement, ISDS) beteiligt. (1)

Sonderklagerechte umstritten wie nie zuvor – Zeit, sie gänzlich abzuschaffen

Sonderklagerechte für Konzerne ermöglichen es „Investoren“ Staaten für Gesetze auf Schadenersatz zu verklagen, wenn sie ihre Profite durch neue Gesetze eingeschränkt glauben. Weltweit waren bisher Zahlungen von über 50 Milliarden US-Dollar an private „Investoren“ die Folge. Mittlerweile ist diese Paralleljustiz weltweit umstritten wie nie zuvor. (2) „Die EU hat diese Paralleljustiz in den letzten 30 Jahren nicht nur aktiv vorangetrieben, sie will sie nun mittels eines eigenen Konzerngerichtshofs und immer neuer bilateraler Abkommen weltweit ausweiten“, kritisiert Gerhard Riess von der Gewerkschaft PRO-GE. „Es ist Zeit, dass sich die EU-Regierungen aus allen Handels- und Investitionsabkommen zurückziehen, die diese Sonderklagerechte enthalten und keine neuen verhandelt werden“, fordert Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums von younion _ Die Daseinsgewerkschaft.

Konzerne müssen verbindlich einklagbaren Regeln unterliegen

Während „Investoren“ eine privilegierte und machtvolle Sonderjustiz offensteht, bleiben Menschen oftmals schutzlos, wenn sie unter Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen von Konzernen leiden. Regelmäßig kommt es vor allem in den Armutsregionen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas zu Menschenrechtsverletzungen: Kinderarbeit, Ausbeutung, Umweltverschmutzung, Fabrikunfälle, mangelnde Gesundheitsschutzmaßnahmen oder Landvertreibungen sind nur einige Beispiele. „Betroffene können sich nur schwer wehren, vor allem, wenn transnationale Konzerne beteiligt sind. Komplexe Unternehmensstrukturen machen es faktisch unmöglich, dass Betroffene gegen diese Konzerne klagen. Wir fordern diese Ungerechtigkeit zu beenden“, so Marieta Kaufmann von der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar.

„Konzerne müssen in ihrer gesamten Wertschöpfungskette verbindlich einklagbaren Regeln unterliegen, damit sie die Menschenrechte achten“, schließt sich Carla Weinzierl vom Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) der Forderung an. Auf UN-Ebene wird zurzeit ein verbindliches Abkommen zu Menschenrechten und Wirtschaft verhandelt, das von der internationalen Zivilgesellschaft unterstützt wird. Es würde garantieren, dass Konzerne global haftbar gemacht werden können. „Österreich und die EU müssen diesen UN-Vertrag endlich unterstützen und die de-facto-Straffreiheit für transnationale Konzerne beenden. Österreich als aktuelles Mitglied des UN-Menschenrechtsrat hat dabei eine besondere Verantwortung“, erklärt Melanie Oßberger von FIAN Österreich.

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Die Plattform Anders Handeln wurde initiiert von Attac, GLOBAL 2000, Südwind, den Gewerkschaften PRO-GE, vida und younion _ Die Daseinsgewerkschaft, der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung sowie der ÖBV-Via Campesina Austria und wird von rund 50 weiteren Organisationen unterstützt - u.a. FIAN Österreich. 

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(1) Fälle von WEF-Industriepartner: http://bit.ly/2DpsNJe

(2) Mehr als drei Millionen Menschen in Europa haben gegen die Aufnahme von Sonderklagerechten in Abkommen wie TTIP und CETA protestiert. 101 EU-RechtsprofessorInnen sowie der deutsche Richterbund kritisieren ISDS. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat erklärt, dass ISDS innerhalb der EU nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Länder wie Indien, Ecuador, Südafrika, Indonesien, Tansania und Bolivien haben zahlreiche entsprechende Abkommen bereits gekündigt.

 

Indien: Kleinbäuer:innen in Odisha weiterhin von Vertreibung und Umweltzerstörung bedroht

Seit 2005 protestiert die Landbevölkerung im Bezirk Jagatsinghpur (Bundestaat Odisha) gegen Umweltzerstörung und die unrechtmäßige Aneignung ihres Landes. Dort sollen Industrieanlagen und Infrastruktur – darunter Stahl- und Zementwerke, ein Kraftwerk und ein Hafen – errichtet werden. FIAN Österreich rief in Zusammenarbeit mit FIAN International im März 2022 zu einer Briefaktion auf, um mehr als 40.000 Kleinbäuer*innen, Landarbeiter*innen und Fischer*innen vor dem Verlust ihrer Lebensgrundlagen zu schützen. Zu Jahresbeginn berichtet der Sprecher der Bewegung von Polizeirepression, gewaltsamen Übergriffen und zunehmenden Festnahmen und erneuert dringend die Forderungen.

Das Recht auf Nahrung in Europa

Die Ernährungsunsicherheit und Armut nehmen weltweit zu. Auch in Europa. Nach Schätzungen von Eurostat waren 21,7% der EU-Bevölkerung im Jahr 2021 armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Viele stellen sich u.a. die Frage: Heizen oder Essen? Die existierenden Maßnahmen und Programme kommen für viele zu kurz. Es ist essenziell, dass die Staaten den Zugang zu einer selbstbestimmten, angemessenen und ausreichenden Ernährung sichern.

Mikrofinanzkrise: OECD-Beschwerde gegen Oikocredit

Mikrokredite entpuppen sich in Kambodscha seit Jahren als Schuldenfalle. Während sie europäischen Investoren Profite bringen, führen sie vor Ort zu Landverlust, Armut und Menschenrechtsverletzungen. Trotzdem hat der sogenannte „ethische“ Investor Oikocredit seine Investitionen in Kambodscha sogar noch erhöht. Drei NGOs legen daher nun Beschwerde gegen Oikocredit bei der OECD ein.

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