Vienna+20 Wir lassen Menschenrechte nicht untergehen
Während der zivilgesellschaftlichen Vienna+20-Menschenrechtskonferenz ließen Organisationen und soziale Bewegungen aus aller Welt die Vision „Alle Menschenrechte für Alle“, das Motto der richtungsweisenden Wiener Weltmenschenrechtskonferenz von 1993, wieder aufleben.
Auch in der EU werden Menschenrechte zunehmend ausgehöhlt und verletzt – etwa durch Sparpakete, fehlende Beschränkungen für internationale Firmen und restriktive Migrationspolitken. Doch zeigten die Veranstaltungen von Vienna+20, wie viel Potenzial der Menschenrechtsansatz für die zukünftige Gestaltung von Politiken bietet. Die Erklärung der zivilgesellschaftlichen Konferenz kann sich sehen lassen - es ist eine Bestandsaufnahme der Umsetzungsdefizite des Wiener Aktionsplans von 1993. Es war gut und wichtig, in der aktuellen Krisensituation die menschenrechtlichen Defizite zu benennen und entsprechende Forderungen zu entwickeln!
Politiker_innen tun gut daran, sich mit der Erklärung vertraut zu machen, wollen sie für Bürger_innen weiterhin wählbar bleiben. Woher sollen sie ihre Legitimation beziehen, wenn nicht aus dem entschiedenen Einsatz für die grundlegenden Rechte der Menschen in ihrem Land? Wie in Österreich die Parteien zur Umsetzung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechen stehen, haben wir kurz vor der Wahl erfragt und werden sie zu jeder sich bietenden Möglichkeit an ihre Antworten erinnern.
Die Erklärung Vienna+20 wird weltweit zivilgesellschaftlichen Organisationen Hoffnung und Inspiration für die weitere Auseinandersetzung und ihren Kampf geben. Sie fand bereits bei der Tagung des UN-Menschenrechtsrates im September Verbreitung. Lassen auch Sie sich von dieser Ausgabe unseres Magazins inspirieren für Ihren weiteren Einsatz für Menschenrechte – in welcher Form auch immer!
Europa in der Krise Menschenrechte in der Austeritätsfalle
Diese FOODFirst Ausgabe widmet sich den wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechten in Europa. Menschenrechte, insbesondere die WSK-Rechte sind jene internationalen Standards, denen die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, auch in ihrer Wirtschaftspolitik. Wie wir zu einem menschenrechtlich verträglichen Staatsschuldenabbau kommen und welchen neoliberalen Glaubenssätzen uns daran hindern - damit beschäftigt sich gleich der erste Artikel auf Seite 2.
Der Widerstand gegen die menschenverachtende Wirtschaftspolitik bewegt immer mehr Organisationen dazu mit menschenrechtlichen Instrumenten eine Veränderung auf gesetzlicher und politischer Ebene zu erwirken. Auch spanische NGOs berichteten dem UN-WSK-Komitee über die Auswirkungen der Sparmaßnahmen in ihrem Land (S.4). Kann es eine Perspektive für Europa sein, eine Gesellschaft zu entwickeln, in der nur wenige am Reichtum teilhaben und immer mehr Menschen zu HilfsempfängerInnen werden? Am Beispiel des Tafelsystems geht es auf Seite 9 um das Verhältnis von Wohltätigkeit und dem Recht auf Nahrung. An den Flüchtlingsprotesten in Ländern wie Deutschland, Niederlande und auch Österreich zeigt sich, dass jene, die im politischen System eines Landes nicht vertreten sind, am gravierendsten von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind. Auch FIAN hat die Proteste der Flüchtlinge in Österreich mit einer internationalen Briefaktion unterstützt (S. 6).
Indigener Widerstand - das Recht auf Nahrung und Indigene Gemeinschaften
Rechtlich gleich mehrfach benachteiligt sind oft Indigene Frauen. Ihrer doppelten Diskriminierung widmen wir in dieser Schwerpunktausgabe zu den Rechten von Indigenen einen eigenen Artikel (S.2). Auch Ecuador ist Thema: Wir berichten von einem neuen Fall nördlich der Hauptstadt Quito: Das Gemeinschaftsland der Kitu Kara in La Toglla soll dort für Urbanisierungsprojekte zur Verfügung gestellt werden (S.6).
Die genannten Beispiele zeigen: Die Umsetzung des Rechts auf Nahrung braucht neben klaren und einklagbaren rechtlichen Rahmenbedingungen den Druck zivilgesellschaftlich engagierter Menschen. Für diesen Druck sorgen wir als FIAN, gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen und anderen zivilgesellschaftlichen AkteurInnen.
Erst die saat, dann die Ernte Freier Zugang zu Saatgut wird immer enger
Der Zugang zu Saatgut ist die Grundlage für Ernährung. Die Landwirtschaft in allen Teilen der Welt beruht darauf, dass Bäuerinnen und Bauern eine Auslese ihrer Ernte einbehalten, im nächsten Jahr wieder aussäen und mit anderen tauschen. Auf diese Weise pflegen und entwickeln sie ihr Saatgut beständig weiter. Die Kontrolle über das Saatgut ist eine zentrale Voraussetzung für die Sicherung des Menschenrechts auf Nahrung. Durch die weltweite Ausweitung geistiger Eigentumsrechte wie Patente wird die freie Verfügung über Saatgut schon seit längerer Zeit massiv bedroht. Die Verpflichtung der Staaten, das Recht auf Nahrung zu achten, zu schützen und zu gewährleisten, steht jedoch über dem Schutz geistigen Eigentums. Damit die Saat auch weiterhin aufgeht muss der freie Zugang zu Saatgut sichergestellt werden!
Schöne – grüne – neue Welt Green Economy und Bioökonomie fressen Land
In dieser ersten Ausgabe steht ein zentrales Thema der Menschenrechtsarbeit von FIAN im Mittelpunkt: Der Zugang zu Land, also die Möglichkeit der Menschen, Land zu nutzen und davon zu leben. Natürliche Ressourcen wie Land, Wasser und Wälder sind in einem Maße kommerzialisiert worden, wie es sich bei der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 wohl kaum jemand vorstellen konnte. 20 Jahre später, im Vorfeld der Rio+20-Konferenz,stehen diese Ressourcen im Sinne einer „Green Economy“ wieder zur Diskussion.
Armutssystem Deutschland Über Ernährungssicherheit im eigenen Lande
Während sich die Bundesregierung rühmt, mit der Neuregelung des Arbeitslosengeldes II (sog. „Hartz IV“) alle Vorgaben des Grundgesetzes zum Anspruch auf das „Existenzminimum“ erfüllt zu haben, kommen im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung erstattete, aktuelle Gutachten zu ganz anderen Ergebnissen. So weist Prof. Johannes Münder, Sozialrechtler an der TU Berlin, nach, dass die Neuregelung an gleich zehn Punkten gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und damit des Grundgesetzes verstößt. Die praktische Konsequenz dieser Verstöße zeigt sich u.a. in dem, was im Oktober dieses Jahres der Präsident der deutschen Kinderärzte, Dr. Wolfram Hartmann, sagte: „Man kann davon ausgehen, dass etwa 500.000 Kinder in Deutschland regelmäßig nicht ausreichend ernährt werden.“ Der Mediziner sprach von einem schlimmen Zustand und fügte an: „In Deutschland darf kein Kind Hunger leiden.“
Diese Aussage zu unterstreichen und zugleich darüber nachzudenken, an welcher Stelle der Debatte sich FIAN mit seiner Kompetenz einbringen kann, ist unsere Aufgabe. Diese Ausgabe der FoodFirst widmet sich deshalb u.a. der Arbeit des FIAN-Arbeitskreises Recht auf Nahrung in Deutschland, der öffentlichen Debatte nach den Anmerkungen des UN-Sozialausschusses zu dem Staatenbericht der Bundesregierung und den immer noch – bewusst – menschenunwürdigen Leistungen für AsylbewerberInnen.
Die Hungerhändler - Von dicken Gewinnen und leeren Mägen
2001 jährt sich die WTO-Konferenz in Doha zum zehnten Mal. Die als Doha-Entwicklungsagenda bezeichneten Verhandlungen sollten ursprünglich für die Entwicklungsländer entscheidende Verbesserungen bringen, nicht zuletzt im Agrarsektor. Die Verhandlungen sollten ursprünglich bis 2005 abgeschlossen werden, zogen sich aber in die Länge und stehen jetzt vor dem endgültigen Aus. Ein entscheidender Knackpunkt blieben die unvereinbaren Positionen von Entwicklungs- und Industrieländern im Agrarbereich. Selbst beim Thema Abschaffung der Exportsubventionen konnten die reichen Länder sich nicht zu einem endgültigen Entschluss durchringen. Stattdessen pochen sie als Gegenleistung für längst überfällige Zugeständnisse an Entwicklungsländer auf leichteren Marktzugang für gewerbliche Güter und Dienstleistungen.
Zehn Jahre nach Doha weht ein anderer, noch härterer Wind in der Handelspolitik. Diese Ausgabe des FoodFirst befasst sich mit den Auswirkungen der bilateralen Handelsabkommen, die seit dem Scheitern der Doha-Runde von Seiten der EU stark vorangetrieben werden. Des Weiteren beleuchtet Markus Henn für uns das schwer zu durchschauende Feld der Finanzspekulation im Agrarbereich. Roman Herre und Philipp Seufert wiederum zeigen in ihrem Beitrag, dass der freie Weltmarkt zumindest im Bereich der Nahrungsmittel eine Illusion ist.
Land unter - Wie der Klimawandel die Menschenrechte bedroht
Der Klimawandel ist in aller Munde. Doch die mediale Aufmerksamkeit, die dem Thema gewidmet wird, spiegelt sich kaum in konkreten politischen Maßnahmen wider, um die Erderwärmung einzudämmen. Kopenhagen ist grandios gescheitert und ob es in Cancún die große Wende gibt, muss wohl bezweifelt werden. Dabei sind die ökologischen und sozialen Folgen des Klimawandels in vielen Ländern bereits jetzt sehr deutlich spürbar. In dieser Ausgabe möchten wir das Thema aus verschiedenen Perspektiven betrachten und aufzeigen, dass der Anstieg der Temperatur auf dem Planeten schon jetzt immer mehr Menschen die Lebensgrundlage entzieht und so auch das Recht auf Nahrung massiv bedroht.
Außerdem finden Sie in diesem Heft zwei Kommentare zum neuen Ernährungssicherheitsgesetz in Indien sowie Interviews zur Problematik des Sojaanbaus in Paraguay und zur Lage der Frauen im südafrikanischen Agrarsektor.
Gefahr oder Chance? Afrika im Fokus von ausländischen Investoren
Der aktuelle Schwerpunkt dieser FOODFirst-Ausgabe befasst sich mit ausländischen Direktinvestitionen in Afrika und deren Auswirkungen auf das Recht auf Nahrung. Die Beiträge zeigen deutlich, dass Investitionen allein keine Garantie geben für Entwicklung und weniger Armut. Im Gegenteil: Bei vielen Investitionsprojekten genießen Profitinteressen eindeutig Vorrang vor menschenrechtlichen Überlegungen. Doch das Urteil der Afrikanischen Menschenrechtskommission zugunsten der Endorois in Kenia ist mehr als nur ein Hoffnungsschimmer. Es ist auch ein klares Warnsignal an all diejenigen, die Afrika noch immer als Selbstbedienungsladen ansehen und keine Rücksicht auf die lokale Bevölkerung nehmen möchten.
Doch nicht nur in Afrika sollten Investoren zur Rechenschaft gezogen werden können, sondern auch am Unternehmenssitz. Deshalb bitten wir sie, die Kampagne des CorA-Netzwerkes Rechte für Menschen – Regeln für Unternehmen zu unterstützen. Denn auch das zeigt das Endorois-Urteil: Die Einklagbarkeit von Menschenrechten ist ein entscheidender Schlüssel zum Erfolg.
Wer die Saat hat, hat das Sagen Gewinner und Verlierer der Neuen Grünen Revolution
Die Sicherung des Zugangs zu produktiven Ressourcen für marginalisierte KleinbäuerInnen und Landlose steht dabei nach wie vor im Zentrum unserer Arbeit, ohne dass wir das Recht auf Nahrung anderer Bevölkerungsgruppen aus dem Auge verlieren wollen. Die Artikel in diesem Heft zeigen sehr eindrücklich, dass die Kontrolle über das Saatgut eine zentrale Herausforderung für das Menschenrecht auf Nahrung ist. Besonders beeindruckend sind in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse der Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom, die aufgezeigt hat, dass Gemeinschaftsbesitz und -organisation ein Schlüssel zur nachhaltigen Ressourcennutzung sein können. Damit bestätigt sich folgende These: dort, wo weder staatliche Macht noch das Profitinteresse einiger Weniger dominieren, stehen die Chancen gut, dass Menschen sich so organisieren, dass alle genug zu essen haben.
Alles unter Kontrolle Warum die Hungerkrise kein Ende findet
Fast jeder sechste Mensch ist heute chronisch unterernährt, jeder Dritte leidet an Mangel- und Fehlernährung. Der Rekordhunger von 2009 folgt einer Rekordernte im Jahr 2008 – ein beispielloser Skandal der Weltpolitik. An Nahrungsmitteln mangelt es nicht. Das Problem ist die ungerechte Verteilung produktiver Ressourcen und Einkommen. Diese Lektion haben die meisten Regierungen immer noch nicht gelernt. Das zeigen die internationalen Programme gegen die Hungerkrise, die fast ausschließlich auf Produktivitätssteigerung setzen (Seite 4-5). Das zeigt auch die Abschlusserklärung des Welternährungsgipfels, welche die strukturellen und internationalen Ursachen des Hungers konsequent ausblendet (Seite 3). Erfreulich ist hingegen die Reform des UN-Komitees für Welternährungssicherung. Sie folgt in weiten Teilen den Empfehlungen sozialer Bewegungen, FIANs und des UN-Sonderberichterstatters für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter (Seite 6-7). Eine wichtige Arbeitsgrundlage des Komitees werden die Leitlinien zum Menschenrecht auf Nahrung sein. FIAN wird sich dafür einsetzen, dass es nicht bei hohlen Worten bleibt.
Rechtlos in Afrika? Chancen und Hindernisse für das Recht auf Nahrung
Wenn Sie dieses Heft erhalten, dauert es nur noch ein Jahr bis zur ersten Fußballweltmeisterschaft in Afrika. Am 11. Juli 2010 findet das Endspiel in Johannesburg statt. Afrika – auf dem Wege zu einem selbstverständlichen Platz in der Weltgesellschaft, den europäische Mächte ihm lange genug streitig gemacht haben. Welche afrikanischen Mannschaften werden am Kap eine Runde weiter kommen – wird sogar eine ins Finale gelangen? Afrika hat viele gute Spieler. Gefragt ist in den nächsten zwölf Monaten vor allem ein gutes Mannschaftsspiel.
Das gilt auch im Kampf gegen den Hunger. In der Stadt des WM-Finales ist es die Wasserversorgung für die Bevölkerung im Stadtteil Phiri, wo Behörden und Gerichte noch besser zusammen spielen müssen. In Ghana sind es die Behörden, eine Goldschürfgesellschaft und die Bäuerinnen und Bauern von Yayaaso, wo Fairplay erst noch eingeübt werden muss. Beides wird in diesem Heft thematisiert. Wenn einheimische Mannschaften nicht gut spielen, hilft FIAN mit einer internationalen Mannschaft aus Frauen und Männern, um dem Recht auf Freiheit von Hunger zur Geltung zu verhelfen. So beim neuen Fall in Uganda, wo es um die Rechte der Menschen aus dem Hirtenvolk der Benet geht.
Es kommt freilich nicht nur auf gute Fußballspieler an, sondern auch auf gute Schiedsrichter. Im übertragenen Sinne braucht Afrika also gute JuristInnen, wenn das Recht auf Nahrung erfolgreich geschützt werden soll.
Die Jagd ist eröffnet Zugang zu Land in Zeiten der Krise
Landjagd in Madagaskar, Sonderwirtschaftszonen in Kambodscha, Nahrungsmittelproduktion als globales Spekulationsgut – Themen dieses Heftes und wie so oft, die Probleme erscheinen bedrückend groß, das Machtgefälle oftmals unüberbrückbar. Allzu oft lassen auch die Gesellschaftsmodelle und Werte, die hinter solchen Phänomenen stehen, jeglichen Respekt vor den Menschen vermissen. Die Finanzkrise, so bitter sie viele trifft, lässt es seit langer Zeit wieder zu, dass auch grundsätzliche Fragen und Systemkritik Gehör finden können. Diese Chance gilt es zu nutzen, denn Krisen können große neue Würfe und Ideen ermöglichen – ebenso häufig führen sie aber auch nur zu kleinkarierten und faulen Kompromissen.
FIAN sollte sich in dieser Situation eindeutig profilieren und auf die Stärken des internationalen Netzwerkes setzen. Nicht Attac noch Amnesty, sondern von beiden das Beste: von unten bewegte, authentische und kompetente Menschenrechtsarbeit. Empowerment, das ebenso von Nord nach Süd wie von Süd nach Nord gelebt werden kann. Von engagierten Fianistas in Indien, Bauernführern in Kambodscha und Indigenen in Lateinamerika lernen wir vieles, zum Beispiel nicht aufzugeben. Gleichzeitig ist das Empowerment und die Unterstützung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen in der konkreten Fallarbeit sicherlich eines der stärksten und oft auch ein bewegendes Element der Arbeit FIANs.
Schon vom Jahressteuergesetz 2008 gehört? Es soll Ihnen nicht erspart bleiben. Der Entwurf für dieses Gesetz liegt dem Bundestag vor, und es sind auch neue Bestimmungen zur Gemeinnützigkeit enthalten. Zum Beispiel zur Steuerbefreiung für Spenden, die nicht im Inland, sondern im Ausland ausgegeben werden. Vorgesehen ist, dass die Gemeinnützigkeit nur dann anerkannt ist, wenn bei der Tätigkeit einer Spendenorganisation im Ausland – zum Beispiel, wenn FIAN für die Menschenrechte in Brasilien eintritt (siehe Heftinneres) – das „Ansehen Deutschlands“ gefördert wird. Denn was hat die deutsche Steuerzahlerin für einen Nutzen davon, wenn Landlose in Rio Grande do Sul zu ihrem Recht kommen und nicht erkennbar ist, dass deutsche Spendengelder dafür eingesetzt wurden? So kurzsichtig in der globalisierten Welt denken deutsche Haushälter offensichtlich.
Dieser Gesetzesparagraph kann FIAN nicht gefallen. Es beruhigt nicht, dass ein guter Teil der Spenden an uns gar nicht im Ausland ausgegeben wird, sondern nur die Wirkung unserer Eilaktionen und Interventionen bei den Menschen etwa in Brasilien, für deren Rechte wir eintreten, spürbar ist.
Eine weniger kurzsichtige Sichtweise als die deutschen Haushälter hatten die Politikerinnen und Politiker, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte entworfen haben. Sie wird am 10. Dezember 60 Jahre alt. Alles deutet darauf hin, dass sie auch mit 67 noch nicht in Rente gehen wird; sie ist bekannter und auf dem ganzen Globus ein Dokument der Hoffnung – mehr als je zuvor. Dazu tragen unzählige Frauen und Männer bei, in Nord und Süd, indem sie sich auf sie berufen und gegenüber den Mächtigen für die Durchsetzung ihrer oder anderer Leute Rechte eintreten. Im deutschen Sprachgebrauch hat sich für diese Beherzten der klobige Begriff „MenschenrechtsverteidigerInnen“ breit gemacht, in Anlehnung an „human rights defenders“ im Englischen. Menschenrechtsdokumente stellen den Begriff häufig in den Zusammenhang von Defizitanzeigen und Schutzbedürftigkeit. In ihrer Sicherheit bedroht sind die Kämpfer für die Menschenrechte zuweilen tatsächlich, und zwar viel zu oft. Jedoch kann und darf Menschenrechtsarbeit auch Spaß machen und zur Selbstverwirklichung beitragen. FIAN bietet dafür einen Rahmen, ohne freilich ins Unernste zu gehen. Als internationale Organisation wollen wir Schutz bieten für diejenigen, die ihn brauchen. Das ist uns so ernst, dass wir dem Thema in diesem Heft gerne einen Schwerpunkt widmen.
Europa global – Hunger egal? Die EU-Handelspolitik und das Recht auf Nahrung
Aktuell ist die weltweite Hungerkrise in aller Munde, Meldungen über Hungerrevolten gehen durch die Nachrichten. Dabei ist es aber leider keine Neuigkeit, dass Millionen von Menschen Hunger leiden. Laut Zahlen der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) waren auch bereits vor der aktuellen Krise rund 850 Millionen Menschen chronisch unterernährt. Die Ursachen für Hunger liegen deutlich tiefer als auf der politischen Ebene zumeist diskutiert. Einen nicht unerheblichen Anteil der Schuld trägt die Agrarhandelspolitik in den Industrieländern, den internationalen Finanzinstitutionen und der Welthandelsorganisation. Seit den 1980er Jahren wurde vielen südlichen Ländern im Sinne des Freihandelsdogmas auferlegt, ihre Märkte zu öffnen und Unterstützungsleistungen für ihre Landwirtschaft abzubauen. Gleichzeitig werden in den Industriestaaten erhebliche Subventionen an die Landwirtschaft gezahlt. Das Ergebnis: Die geöffneten südlichen Märkte werden von Billigimporten aus den Industrieländern überflutet, mit denen die einheimischen ProduzentInnen nicht konkurrieren können. Viele Länder wurden von Nettoexporteuren zu Importeuren von Nahrungsmitteln – und können jetzt die gestiegenen Preise auf dem Weltmarkt nicht mehr bezahlen. Ein Ende der aggressiven Exportpolitik von EU und USA ist nicht in Sicht. Die vorliegende Ausgabe des FoodFirst wirft einige Schlaglichter auf die aktuellen Liberalisierungsinitiativen der EU und ihre Auswirkungen.
Die Weltwirtschaft ist im Aufbruch. Die Riesenreiche China und Indien boomen. Und mit ihrem Aufstieg steigt die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen. Erst vor einigen Monaten hat China sich den Zugang zu den großen Kobalt-, Kupfer- und Goldvorkommen im Kongo gesichert. Das fordert die etablierten Industrienationen heraus, die bisher relativ konkurrenzlos die Rohstoffe der Welt unter sich aufteilten. Deutschland hat bereits reagiert und sich eine neue Rohstoffstrategie verordnet. Viele afrikanische Staaten können sich freuen. Ihre großen Vorkommen an Gold, Kupfer und Kobalt werden enorme Devisen ins Land spülen. Aber werden auch die Menschen in den Ländern davon profitieren? Die bisherige Erfahrung mit Bergbauprojekten in Afrika macht da wenig Hoffnung. Die Gewinne verschwinden in den Taschen der Konzerne und der gesellschaftlichen Eliten, während die Menschen arm bleiben. Am schlimmsten ist die Situation für diejenigen, die in der Nähe von Minen oder Tagebauprojekten leben. Denn Sozial- oder Umweltstandards beim Abbau der begehrten Metalle gibt es nicht oder sie sind zahnlose Papiertiger. Riesige Landflächen werden unbrauchbar für die Landwirtschaft und Flüsse oder Seen als willkommene Lagerstätte für giftige Abfallprodukte missbraucht. Wo kein Land ist und das Wasser verseucht, da gibt es auch kein Recht auf Nahrung für die auf Landwirtschaft angewiesenen Menschen. Es bleibt zu vermuten, dass im Wettlauf um die Rohstoffe das Recht auf Nahrung weiterhin mehr verletzt als respektiert wird. Ein guter Grund, diese FoodFirst-Ausgabe dem Thema Bergbau zu widmen.
„Perle Afrikas“ wird Uganda seit der britischen Kolonialzeit genannt. Doch das immergrüne Land am Viktoriasee wird seit Jahrzehnten arg gebeutelt. Ein Bürgerkrieg folgt dem anderen. Doch auch im Frieden werden die Menschenrechte der EinwohnerInnen immer wieder verletzt. Die Regierung setzt auf Industrialisierung und einen Umbau der ‚primitiven‘ Subsistenzlandwirtschaft zur Exportlandwirtschaft. Mittel hierzu ist die Herstellung möglichst investorenfreundlicher Rahmenbedingungen, auch auf Kosten von ArbeiterInnen- und anderen Rechten. Gerne legt Präsident Museveni auch selber Hand an, um etwa Ugandas erste Großkaffeeplantage in Mubende einzuweihen, für die zuvor mehr als 2.000 Menschen ohne Entschädigung von ihrem angestammten Land vertrieben worden waren, oder um rechtswidrig die Entlassung von streikenden Textilarbeiterinnen durchzusetzen.
Menschenrechtsarbeit ist unter diesen Bedingungen nicht einfach. Der Fall der Mubende-Plantage ist inzwischen bereits seit sechs Jahren anhängig, und bisher folgte noch auf jeden Fortschritt gleich wieder ein Rückschlag. Ihre Prestigeprojekte lässt sich die Regierung nicht so leicht madig machen. Aber so leicht steckt auch FIAN nicht auf, sondern hat in diesem Oktober eine neue internationale Eilbriefaktion gestartet.
Und die Beharrlichkeit zahlt sich auch immer wieder aus. Der Widerstand der ugandischen Blumenindustrie gegen die gewerkschaftliche Organisierung der PlantagenarbeiterInnen wurde unter anderem auch durch eine Briefaktion FIANs in diesem Frühling gebrochen. Der Mubende-Fall steht in diesem Herbst auch im Mittelpunkt der neuen europäischen Kampagne Face-It-Act-Now, über die wir ebenfalls in diesem Heft berichten und für die wir alle herzlich zur Mitarbeit einladen.
Schicksalsschlag Hunger? Vor 30 Jahren erschien das Buch Food first – beyond the myth of scarcity von Joseph Collins und Frances Moore Lappé. Dieses Buch war mit ein Anstoß für die Entstehung von FIAN und hat seitdem nur wenig von seiner Aktualität eingebüßt. Dort heißt es etwa: „Die stärkste Beschränkung der Nahrungsproduktion und Verteilung stellt sich als die Ungerechtigkeit heraus, die durch unsere Art von Wirtschaftssystem erzeugt wird. (...). Wir lernten, dass die Amerikaner und Europäer das Lebensmittelproblem nicht lösen müssen. Hungernde Menschen können sich selbst ernähren und tun es auch, wenn man sie nur lässt. (...) Die Aufgabe der Amerikaner – und Europäer – wird jetzt klar. Wichtiger als Lebensmittelhilfe (...) ist der Aufbau einer Bewegung in diesen Ländern, die die Verbindung klarmacht, wie Regierungen, Gesellschafts- und Landeliten die Nahrungssicherheit (...) untergraben.“
Was heißt das heute? In den Millenniumszielen hat sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2000 dazu verpflichtet, den Anteil der Armen bis zum Jahr 2015 um 50 Prozent zu reduzieren. Dies schließt auch eine Reduzierung des Anteils der Hungernden ein. Die Realisierung der angestrebten Ziele ist aber nach wie vor in weiter Ferne. Besonders deutlich für die Weltöffentlichkeit wird die Situation der Hungernden im Fall akuter Nahrungsmittelkatastrophen. Derzeit gibt es laut FAO-Angaben 31 Hungerkrisenländer.
Welche Ursachen, Folgen und Strategien es zur Bewältigung der Hungerkrise gibt – davon handelt der Schwerpunkt des vor Ihnen liegenden aktuellen FoodFirst.
FIAN muss und wird sich auch den hier geschilderten Herausforderungen stellen. Wie schreiben Collins/Lappé: „Das einzige Hindernis für die Lösung des Hungers in der Welt ist das Gefühl der Machtlosigkeit, das den Menschen aufgezwungen wird.“ „Wir können das Problem des Welthungers nicht für andere Menschen lösen. Sie müssen das selbst tun. Wir können jedoch daran arbeiten, die Hindernisse zu entfernen, die es den Menschen in aller Welt immer schwieriger machen, die Kontrolle über die Lebensmittelproduktion zu übernehmen und sich selbst zu ernähren. “
Bank der Armen? Anspruch und Wirklichkeit der Politik der Weltbank
Die Weltbank hat als Vision für ihre Arbeit eine Welt ohne Armut verkündet. In unserer Arbeit begegnet uns die Weltbank jedoch immer wieder als Organisation, die mit den von ihr geförderten Projekten und Politikberatung Menschenrechtsverletzungen verursacht, Armut vergrößert und der Umwelt Schaden zufügt.
In dieser Ausgabe nehmen wir die Rolle der Weltbank insgesamt genauer in den Blick. Wie hält es die Bank prinzipiell mit den Menschenrechten? Was sind die Rezepte und Instrumente der Weltbank zur Erreichung ihres erklärten Ziels der Armutsbekämpfung und wie sind diese zu bewerten? Welche Rolle sieht sie speziell für den landwirtschaftlichen Bereich, der zentral für die Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung ist? Und welche Rolle spielt Deutschland in der Weltbankpolitik? Es stellt sich die Frage, auf welchem Wege diese Missstände abgestellt werden können. Ist die Bank reformierbar?
Größe, Bevölkerungszahl, Wirtschaftswachstum und Exportzahlen. Die Volksrepublik China ist ein Land der Superlative, im negativen Sinn leider auch aus menschenrechtlicher Sicht: Massenhaft in Fußballstadien vollstreckte Todsurteile, keine Pressefreiheit, Zwangsenteignungen bei wenn überhaupt mangelhafter Entschädigung, keine Gewerkschaftsfreiheit.
Seit Chinas Beitritt zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vor fünf Jahren haben sich weder Ernährungssicherheit noch Menschenrechtssituation verbessert. Stattdessen gleicht das Bild im Reich der Mitte dem überall auf der Welt. Die Hungrigen leben in der großen Mehrheit auf dem Land. Sie leiden unter Umweltzerstörung und massivem Raubbau an natürlichen Ressourcen. Der Staat reagiert nicht oder zu langsam. Millionen Wanderarbeitern bleiben Sozialleistungen verwehrt. Im Agrobusiness haben nun auch die Blumenproduzenten China entdeckt, Farmen für Schnittblumen sprießen aus dem Boden und mit ihnen etablieren sich einmal mehr menschenunwürdige Arbeitbedingungen.
Gründe genug, um China im Jahr 20 von FIAN den Schwerpunkt des FOODFirst-Magazins zu widmen und Perspektiven zur Einforderung des individuellen Menschenrechts auf Nahrung für den hungrigen Riesen auszuloten
Armuts-Zeugnis 10 Jahre nach dem Welternährungsgipfel
Sommer 2006 – Unsere Soldaten stehen am Kongo. Sie sollen die ersten demokratischen Wahlen im größten Land Afrikas schützen helfen. In der Demokratischen Republik Kongo leiden prozentual mehr Menschen an Unterernährung als irgendwo sonst auf der Welt – 70 Prozent sollen es sein.
Europäische Wirtschaftsinteressen und politische Einflussnahmen tragen seit weit mehr als hundert Jahren ihren Teil dazu bei. Deutsche Truppen auf dem schwarzen Kontinent – der Beginn einer neuen Berliner Afrikapolitik ist das nicht, eher das Indiz dafür, dass Außenpolitik sich zunehmend ordnungspolitisch und vom Motiv Sicherheit leiten lässt. Unsere Bundeswehr kämpft in Kinshasa nicht gegen den Hunger, sondern leistet Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung zufolge einen Beitrag dazu, dass nicht noch mehr Menschen nach Europa flüchten.
Zehn Jahre nach dem Welternährungsgipfel in Rom gibt es an das dort ausgegebene Ziel der Halbierung des Hungers bis 2015 noch keine Annäherung. Eigentlich müssten die PolitikerInnen da mächtig ins Schwitzen geraten. Wegducken ist statt dessen die Devise. Einen Nachfolgegipfel, wie eigentlich üblich, wird es nicht geben. Lediglich zu einer Sondersitzung hat die Welternährungsorganisation FAO für Ende Oktober eingeladen.
Zwanzig Jahre FIAN haben immerhin Etappenerfolge für das Recht sich zu ernähren gebracht. Dreißig Jahre Sozialpakt – der internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte trat im Januar 1976 in Kraft – haben FIAN eine exzellente Kampagnengrundlage gegeben, aber für Hunderte Millionen Menschen in Afrika noch keine Gerechtigkeit gebracht.
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