Konzerne müssen für Menschenrechts- und Umweltverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden

Transnationale Konzerne und Unternehmen, die Lieferketten kontrollieren, bleiben in der Regel straffrei, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht, die oft mit Landraub und Umweltverschmutzung zusammenhängen. Am Montag, 24. Oktober, treffen sich Staaten eine Woche lang im UN-Menschenrechtsrat in Genf, um die langjährigen Verhandlungen über ein Abkommen fortzusetzen, das sie zur Verantwortung ziehen soll.

Dabei dürfen bei der achten Session der Zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe für transnationale Konzerne und Menschenrechte insbesondere die Versuche einiger Staaten, die Menschenrechtsstandards zu verwässern, keinen Erfolg haben.

FIAN International ist solidarisch mit Hunderten von sozialen Bewegungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen auf der ganzen Welt, die dringend ein Abkommen fordern, das Bauern und Bäuerinnen, indigene Völker, Frauen, Fischer:innen, Landarbeiter:innen und Gemeinschaften schützt, die von Menschenrechtsbeeinträchtigungen durch Unternehmen bedroht oder betroffen sind.

«Es gibt zu viele Lücken im internationalen Recht, die die Straffreiheit von Unternehmen ermöglichen, die Menschenrechtsverletzungen verursacht oder dazu beigetragen haben», sagt die Ständige Vertreterin von FIAN International bei der UNO, Ana María Suárez-Franco. «Nach acht Jahren Verhandlungen müssen die Regierungen nun fest auf der Seite der betroffenen Gemeinschaften stehen und die Verhandlungen vorantreiben, da globale Lösungen dringend notwendig sind.»

Es gibt keine verbindlichen globalen Rechtsrahmen zur Regulierung der Aktivitäten und Lieferketten von transnationalen Bergbau-, Agrar- und anderen Unternehmen mit einer miserablen Menschenrechtsbilanz. Die fehlende Rechtsgleichheit ermöglicht es skrupellosen Unternehmen, sich der Justiz zu entziehen, indem sie von einer Gerichtsbarkeit zur anderen wechseln. Unternehmen nutzen oft Situationen mit schwächerem Rechtsschutz aus und argumentieren, dass sie gegen kein Gesetz verstossen, auch wenn sie Menschen von ihrem Land vertreiben, ihre Umwelt und Lebensgrundlagen zerstören oder sogar Todesfälle verursachen.

Freiwillige Leitlinien wie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und nationale Gesetze wie die französische ‘Loi de vigilance’ reichen nicht aus, um Gemeinschaften und die Umwelt vor skrupellosen Unternehmen zu schützen. Viele Staaten beginnen die Notwendigkeit einer Regulierung auf globaler Ebene anzuerkennen.

Wie mehrere Fälle aus jüngster Zeit zeigen - wie die Brumadinho-Staudamm-Katastrophe in Brasilien, der industrie- und ressourcenbezogene Landraub in Indien und Kolumbien und die Bedrohung der Existenzgrundlage von Kleinbäuer:innen in Sambia durch die Agrarindustrie -, ist ein robustes Paket verbindlicher Regeln erforderlich, um sicherzustellen, dass die Menschenrechte der Menschen Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben.

«Ein internationales Abkommen über transnationale Konzerne und andere Unternehmen ist für die Steuerung der globalisierten Wirtschaft unerlässlich», sagt Ayushi Kalyan, Koordinatorin für Unternehmensverantwortung bei FIAN International. «Internationale Rechtsgleichheit würde die Schutzlücken schliessen, den Menschen einen besseren Zugang zur Justiz ermöglichen und Unternehmen für ihre Menschenrechts- und Umweltauswirkungen haftbar machen.»

Verwässerte Vorschläge

Es werden verschiedene Versuche unternommen, um politische Einigungen im Hinblick auf die Realisierung eines soliden Abkommens zu verhindern. In informellen Vorschlägen, die im Vorfeld der Verhandlungen in der kommenden Woche verbreitet wurden, werden mehrere wichtige Menschenrechtsstandards und -normen verwässert, wodurch die in den letzten Jahren erzielten Verhandlungsfortschritte zunichte gemacht werden. Sie schlagen völlig neue Ansätze vor und vernachlässigen wichtige Beiträge vieler Staaten.

«Der Ermessensspielraum, der den Staaten in den Vorschlägen eingeräumt wird, macht es unmöglich, weltweit gleiche Bedingungen für die Regulierung transnationaler Konzerne im internationalen Recht zu schaffen», sagt Ayushi Kalyan. «Das lenkt vom Ziel ab, einen weltweit einheitlichen Regulierungsstandard festzulegen, und das zu einer Zeit, in der wir mehr denn je verbindliche Regeln brauchen, welche Unternehmen und Konzerne für Menschenrechtsbeeinträchtigungen zur Verantwortung ziehen.»

Eine kürzlich veröffentlichte Studie zur Komplementarität zwischen dem UN-Abkommen und dem EU-Richtlinienentwurf über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit zeigt, dass nationale Sorgfaltspflichtgesetze zwar wichtig sind, aber nicht ausreichen. Während die Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht von der Sichtweise der Unternehmen ausgeht, stellt das UN-Abkommen die Menschen und den Planeten in den Vordergrund und konzentriert sich auf Prävention, Haftung, Zugang zu Rechtsmitteln und Zusammenarbeit, auch in konfliktbetroffenen Gebieten, und schliesst damit Lücken in Schutz und Regulierung.

Unternehmensinteressen oder die Absicht von Staaten, diese auf Kosten der Menschen zu verteidigen, dürfen die Zwischenstaatliche Arbeitsgruppe nicht kapern, wie es in der Vergangenheit bei ähnlichen Initiativen geschehen ist.

Für weitere Informationen kontaktieren Sie Ana María Suárez-Franco: Suarez-Franco@fian.org

Lesen Sie mehr über FIANs Sicht auf die Abkommensverhandlungen in diesem Meinungsbeitrag, der beim Business and Human Rights Resource Centre veröffentlicht worden ist.

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