Überwindung von Hunger und Mangel braucht echten Wandel
FIAN und ÖBV fordern anlässlich der internationalen Konferenz zu Ernährung und Gesundheit eine Demokratisierung des Ernährungssystems
22.11.2018, Wien - Rund zwei Milliarden Menschen weltweit leiden an Nährstoffmangel. Aktuelle Zahlen zeigen, dass das momentane Ernährungssystem nicht nur im Globalen Süden Hunger und Mangel produziert. Auch im Globalen Norden trägt es zu gravierenden Gesundheitsschäden bei: Alleine in Europa sind laut WHO 60 Millionen Menschen von Diabetes betroffen, Herzkreislauferkrankungen sind am Steigen – u.a. durch ein Zuviel an Zucker und Fett. „Unser aktuelles Ernährungssystem versagt darin, ausreichend gesunde Lebensmittel zur Verfügung zu stellen – und zwar sowohl bei uns in Europa als auch im Globalen Süden.“, fasst Melanie Oßberger von FIAN Österreich, internationale Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung, zusammen.
Wiener Konferenz zu Ernährung und Gesundheit startet
Heute, Donnerstag, startet in Wien die internationale Konferenz „People’s Health – People’s Food“, die internationale Expert*innen geladen hat, um über Wege hin zu einem „healthy sustainable European Food System“ (lt. Einladung) zu diskutieren. Die Konferenz findet im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft statt. „Wir begrüßen die Initiative, Ernährung als Thema der öffentlichen Gesundheit zu diskutieren“, so Oßberger, „zweifeln aber daran, dass die Konferenz echten Wandel fördern kann.“ Denn die von globalen politischen Akteur*innen im Landwirtschafts- und Ernährungsbereich vorgeschlagenen Lösungsansätze zur Überwindung der Ernährungskrise setzen seit Jahrzehnten fast ausschließlich auf Agrobusiness, Produktivitätssteigerung und High-Tech, während gleichzeitig die wirklichen Probleme ausgeblendet werden und das Menschenrecht auf Nahrung und das Menschenrecht auf Gesundheit kaum Beachtung finden.
Aktuelles Landwirtschaftsmodell löst Ernährungskrisen nicht
Durch Agrobusiness und High-Tech kann der Hunger nicht bekämpft werden – im Gegenteil. Laut FAO-Zahlen hungern aktuell mehr Menschen als noch vor ein paar Jahren (821 Millionen Menschen). Ebenso wenig kann die Ausbreitung des ‚versteckten Hungers‘ gestoppt werden, jene Unterversorgung mit Nährstoffen, die im Globalen Süden einen beträchtlichen Anteil an Geburtskomplikationen, Erblindungen und Blutarmut zur Folge hat und besonders für Kinder unumkehrbare gesundheitliche Auswirkungen mit sich bringt. Im Globalen Norden äußert sich das Ungleichgewicht an Nährstoffen vor allem als Diabetes, Fettsucht und einer höheren Prävalenz von Krebserkrankungen. Die agroindustriell gefertigten Nahrungsmittel sind traditionell nährstoffarm, Fertignahrung und Fast Food machen durch hohe Zucker- und Fettanteile krank. „Dazu kommen die negativen Auswirkungen auf die Umwelt und dass die Dominanz des agroindustriellen Produktionsmodelles Kleinbäuer*innen weltweit an den Rand drängt. Dabei sind sie es, die für die lokalen Märkte produzieren und Vielfalt auf dem Feld und am Teller sichern“, so Franziskus Forster von der ÖBV, österreichische Klein- und Bergbäuer*innen Vereinigung.
Kleinproduzent*innen ins Zentrum rücken
Die beste Vorsorge gegen Mangelernährung ist eine ausgewogene, natürliche und vielfältige Ernährung. Der Wandel hin zu einem nachhaltigen Ernährungssystem, das ausreichend gesunde Ernährung für alle sichert, gelingt nur dann, wenn den kleinen Lebensmittelproduzent*innen und ihren alternativen Ansätzen der Stellenwert eingeräumt wird, den sie für die Versorgung der Welt haben. Aktuell passiert das kaum – der Diskurs zur Welternährung wird von großen Konzernen geprägt, die jene vermeintlichen Lösungen promoten, mit denen sich Geld verdienen lässt. „Es geht darum, das Ernährungssystem weltweit zu demokratisieren: wir müssen den Einfluss des Agrobusiness zurückzudrängen und unser aller Gesundheit über Profitinteressen stellen. Deshalb ist auch die neoliberale Handelspolitik eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Sie setzt bei Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsstandards einen Wettlauf nach unten in Gang. Das muss im Interesse der Menschen gestoppt werden und Alternativen müssen ausgebaut werden“, so Forster abschließend. Diesen Appell richten FIAN und ÖBV zu Beginn der Konferenz an jene Expert*innen, die ab heute zwei Tage lang in Wien dazu diskutieren.
Link zum Papier zu demokratischer Lebensmittelpolitik der „Wir haben es satt“-Plattform
Link zur Studie „Unravelling the Food-Health-Nexus“ von IPES (International Panel of Experts on Sustainable Food Systems)
Kontakt:
FIAN Österreich
Mag.a Melanie Oßberger
Melanie.ossberger@fian.at
0650/ 7002820