Neue Studie: Von der Vielfalt zum Mangel - Wer bestimmt, was wir essen?

Neue Studie von FIAN Österreich deckt auf: Einfluss von Konzernen auf Regierungen und UN-Institutionen im Bereich Mangelernährung wächst rapide.

Was auf unseren Tellern landet, wird zunehmend durch transnationale Konzerne beeinflusst. Transnationale Konzerne sind die Global Player im Spiel um unsere Ressourcen und Ernährung. FIAN deckt Allianzen von Regierungen und Konzernen auf, die die Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit künstlichen Vitaminen und Mineralstoffen – auch mit Hilfe von Gentechnik – im Globalen Süden propagieren. Die Fallbeispiele in der Studie bringen ans Licht: Unternehmen wie Monsanto, Nestle oder Unilever sichern sich unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Mangelernährung satte Gewinne auf Kosten unserer Gesundheit und Umwelt. Dabei erlangen sie zunehmend Einfluss auf Regierungsprogramme sowie einflussreiche UN-Gremien. Damit wird ein unabhängiger, globaler Diskurs zu Ernährung durch Profitinteressen untergraben. Mangelernährung wird dadurch nicht bekämpft, sondern verstärkt.

Zweifelhafte Allianzen: Regierungen und Konzerne

Regierungen weltweit gehen Partnerschaften mit Konzernen der Agrar- und Ernährungsindustrie ein, die in der Produktion, Vermarktung und Anreicherung von Lebensmitteln oder künstlichen Nährstoffen aktiv sind. Die Allianzen tragen Namen wie SUN - Scaling Up Nutrition, GAIN - Global Alliance for Improved Nutrition oder FFI - Food Fortification Initiative.  Das höchst umstrittene  Entwicklungsprogramm, die New Alliance for For Security and Nutrition, steht in engem Zusammenhang mit den genannten Allianzen. Es wird vom EU-Parlament als menschenrechtlich bedenklich eingestuft. Unterstützt werden die Allianzen von UN-Institutionen und weiteren mächtigen Akteuren wie Weltbank, G8 und Privatstiftungen, allen voran die Bill & Melinda Gates Stiftung.

Im Gegenzug für Investitionszusagen richten etliche Länder des Globalen Südens ihre Ernährungs- und Gesundheitspolitik gemäß den Konzerninteressen aus. „Konkret heißt das: Gesetzlich verankerte Anreicherungspflicht, gentechnikfreundliche Gesetzgebungen, Änderungen der Landnutzungsrechte auf Kosten von Kleinbäuerinnen und -bauern, Kriminalisierung des traditionellen, freien Tausches von Samen. Insgesamt wird dem agroindustriellen Modell Vorschub geleistet, dadurch die Biodiversität reduziert, und so Mangelernährung verstärkt“, erklärt Melanie Oßberger, Studienautorin von FIAN Österreich.

Beispiel Kenia: Marketing und gesetzliche Vorschriften

GAIN arbeitet eng mit dem kenianischen Gesundheitsministerium zusammen. Zum Start  eines gemeinsamen Projekts wurden 20 Millionen Päckchen mit Nährstoffpulver von DSM, dem größten Nährstoffproduzenten weltweit, verteilt. Der Tür-zu-Tür-Verkauf in Wohngebieten mit sozial schwachen Familien ist Teil der großangelegten Marketingkampagne. Der amerikanische Konzern Herbalife beteiligt sich finanziell. Die Anreicherung von Weizenmehl wurde in Kenia 2012 gesetzlich vorgeschrieben. Damit wurde eine Praxis im Gesetz verankert, die schon lange davor in zahlreichen Getreidemühlen angewandt wurde – vor allem auf Grund von entsprechendem Lobbying durch GAIN.  Zur besseren Vermarktung angereicherter Nahrungsmittel wurde sogar ein entsprechendes Logo mit dem Schriftzug 'Kuboresha Afya' (=gesundheitsfördernd) entwickelt.

Indien: Kekse statt Schulessen

Die Strategie, verarbeitete Lebensmittel als „gesund“ zu verkaufen, wird auch in Indien angewandt. Die vom Britannia-Konzern vertriebenen Kekse der Marke Tiger sind mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert. Vor einigen Jahren versuchte die damalige Britannia-Chefin Vinita Bali, das gekochte Mittagessen an Indiens Schulen durch eine Packung angereicherter Kekse zu ersetzen. Die Initiative scheiterte nur knapp am Widerstand im Parlament und in der Zivilgesellschaft. Heute ist Vinita Bali Vorstandsvorsitzende von GAIN

Künstliche Nährstoffe keine Dauerlösung

Die aktuelle internationale Ernährungspolitik forciert die Anreicherung von Lebensmitteln durch künstliche Nährstoffe. Es ist unbestritten, dass angereicherte Lebensmittel unter Umständen –bei akuten Hungersnöten und für spezifische Zielgruppen – Teil der Lösung im Kampf gegen Mangelernährung sein können. Sie bergen aber auch gesundheitliche Risiken. ExpertInnen sind sich einig, dass sie natürliche, vielfältige Ernährung nicht dauerhaft ersetzen können. Zudem untergräbt der dauerhafte Einsatz das Recht auf Nahrung. „Mit dem Fokus auf eine technische Lösung wird die Debatte um Hunger und Mangelernährung entpolitisiert. Die Ursachen von Mangelernährung werden nicht bekämpft.Die Studie zeigt klar: Der Staat kommt seinen menschenrechtlichen Pflichten nicht nach, indem er zulässt und aktiv dazu beiträgt, dass die Anreicherungsallianzen das Menschenrecht auf Nahrung untergraben“, so Oßberger abschließend.

 

Download Studie : FIAN Österreich (2017) „Von der Vielfalt zum Mangel. Wie Anreicherungsallianzen den Boden für Mangelernährung bereiten“.

Fotos

Druckexemplar bestellen: office[at]fian.at

INTERVIEWMÖGLICHKEIT mit Melanie Oßberger, Studienautorin; Expertin für Mangelernährung FIAN Österreich und Projektleitung „Menschenrechte ins Ernährungssystem“

 

Rückfragehinweis:

Linnéa Richter, Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

0650 4055511, linnea.richter[at]fian.at

 

 

"Die Agrarreform bleibt ein unerfülltes Versprechen"

Die vorherrschende Meinung sieht drei Hauptgründe für die anhaltenden Ernährungsprobleme: die Covid-Pandemie, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und den Klimawandel. Joseph Purugganan hingegen bezeichnet die globale Ernährungskrise als Folge der industriellen Landwirtschaft. Purugganan koordiniert das Philippinen-Programm von Focus on the Global South. Die Organisation ist eng verbunden mit sozialen Bewegungen in Asien und entwickelt Konzepte für einen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Wandel.

Oikocredit: Mediation über Menschenrechtsverletzungen im kambodschanischen Mikrofinanzsektor ohne Einigung

Am 24.1. scheiterte die Mediation zwischen des drei NGOs und Oikocredit. Die Mediation war nach einer OECD-Beschwerde bei der niederländischen Nationalen Kontaktstelle (NKS) im Dezember 2022 wegen Menschenrechtsverletzungen im kambodschanischen Mikrofinanzsektor eingeleitet worden. Die drei NGOs FIAN Deutschland, Euqitable Cambodia und LICADHO haben dazu eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht. 

Sri Lanka-Nahrungskrise und Sparprogramme

Eine der jüngsten und zugleich sehr aktiven FIAN-Sektionen befindet sich in Sri Lanka. Das südasiatische Land wurde im vergangenen Jahr von einer schweren Wirtschaftskrise erschüttert, mit verheerenden Auswirkungen auf die Bevölkerung. Viele Haushalte haben sich verschuldet, um die steigenden Preise für Lebensmittel, Medikamente und Kraftstoffe zahlen zu können. FIAN Sri Lanka setzt sich für die Rechte von marginalisierten Bevölkerungsgruppen, Bäuerinnen und Bauern sowie Fischer:innen ein und kooperiert hierbei auch mit Behörden. Sabine Pabst (FIAN International) sprach mit dem Geschäftsführer Thilak Karyawasam und dem Vorstandsvorsitzenden Sathivel Visvalingam.

FIAN-Partner fördern Agrarökologie

Die indonesische Bauerngewerkschaft SPI unterstützt ihre Mitglieder bei der Umstellung auf Agrarökologie. Die steigenden Preise für Düngemittel und Pestizide machen diesen Schritt für mehr und mehr Landwirte attraktiv. FIAN Deutschland-Referent Mathias Pfeifer und FIAN Deutschland-Geschäftsführer Philipp Mimkes besuchten zwei Schulungszentren, in denen der ökologische Anbau, die Eigenproduktion von Düngemitteln sowie Vertriebskonzepte vermittelt werden. Dank hoher Erträge können die Bäuerinnen und Bauern selbst auf kleinsten Parzellen erfolgreich wirtschaften.  

 

Recherchereise in Indonesien: Widerstand gegen Geothermie-Kraftwerk auf der Insel Flores

Anfang März besuchte der FIAN Deutschland-Südostasienreferent indigene Gemeinden auf der Insel Flores. Diese sind von negativen Auswirkungen eines Geothermie-Kraftwerks betroffen, darunter Landkonflikte, Ernteeinbrüche sowie erhöhte Gefahr von Erdrutschen. Das von der deutschen KfW Entwicklungsbank finanzierte Kraftwerk soll nun nochmals erweitert und vergrößert werden. Die indigenen Gemeinden lehnen dies entschieden ab. Ihr Widerstand gegen das Projekt wird mit Einschüchterung und Polizeigewalt beantwortet.

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