Indonesien: FIAN-Partner fördern Agrarökologie
Die indonesische Bauerngewerkschaft SPI unterstützt ihre Mitglieder bei der Umstellung auf Agrarökologie.
Setzen von Reisstecklingen (Foto: FIAN Deutschland)
Die steigenden Preise für Düngemittel und Pestizide machen den Umstieg zur Agrarökologie für mehr und mehr Landwirte attraktiv. Die Kollegen von FIAN Deutschland, Referent Mathias Pfeifer und Geschäftsführer Philipp Mimkes, besuchten zwei Schulungszentren, in denen der ökologische Anbau, die Eigenproduktion von Düngemitteln sowie Vertriebskonzepte vermittelt werden. Dank hoher Erträge können die Bäuerinnen und Bauern selbst auf kleinsten Parzellen erfolgreich wirtschaften.
Nach dem Sturz des langjährigen Diktators Suharto wurde Ende der 90er Jahre die Serikat Petani Indonesia (SPI) gegründet. Die SPI gehört mit rund einer Million Mitgliedern und zwölf Regionalbüros zu den großen Bauernorganisationen des Landes. FIAN und SPI arbeiten seit vielen Jahren eng zusammen, unter anderem bei der Erarbeitung der UN-Kleinbauernerklärung.
Über ein vom Auswärtigen Amt gefördertes Projekt kann FIAN Deutschland derzeit agrarökologische Schulungen der SPI unterstützen. Diese erfolgen zum einen in einer eigenen Landwirtschaftsschule in Bogor nahe der Hauptstadt Jakarta; dort werden vor allem Schulungspersonal aus den SPI-Regionalstellen sowie Berater*innen der Regierung trainiert. Die Schulungen für die in der SPI organisierten Landwirte erfolgen dezentral über die Regionalbüros.
Fruchtbare Böden und hohe Bevölkerungsdichte
Die vielen Vulkane auf der indonesischen Hauptinsel Java gehören zu den gefährlichsten der Welt. Erst im August kam es nahe der Großstadt Yogyakarta zu einem Ausbruch des Merapi. Zugleich sorgt die Vulkanasche für extrem fruchtbare Böden. Die Reis-Ernten liegen auf Weltrekordniveau. Auch die Bevölkerungsdichte in Java ist eine der höchsten weltweit.
Ende September besuchte FIAN das SPI-Regionalbüro in Tuban im Osten der Insel. Die Bauerngewerkschaft besitzt dort 2.000 Mitglieder, von denen rund 70 in einer Kooperative organisiert sind. Die Gewerkschaft unterstützt die Landwirte administrativ und organisiert zudem landwirtschaftliche Fortbildungen, die Produktion organischer Düngemittel sowie den Kauf von Saatgut.
Jährlich erhalten in Tuban rund 100 Bäuerinnen und Bauern agrarökologische Schulungen. Diese werden an die Saison angepasst – also nicht in der Erntezeit durchgeführt – und dauern jeweils zwei Monate, mit wöchentlichen Treffen à sechs Stunden. Darüber hinaus gibt es einen engen Austausch mit ausländischen Partnern, darunter aus Indien, Thailand und Kuba. Viele der eingesetzten Methoden stammen aus Südkorea. Der internationale Wissensaustausch gehört neben der Vielfalt der Anbausysteme und der Schaffung von Kreisläufen zu den Prinzipien der Agrarökologie.
Viele Bäuerinnen und Bauern reagieren zunächst zögerlich. Aufgrund durchschnittlicher Feldgrößen von lediglich 0,3 Hektar können sie sich keinen Rückgang der Erträge leisten. Die hohen Ernten auf den Versuchsfeldern und die geringen Kosten der agrarökologischen Methoden führen jedoch zu Mundpropaganda und wachsendem Interesse: Rund fünf Prozent der Landwirte in Ost-Java haben die Produktion inzwischen umgestellt.
Reiserträge von 20 Tonnen pro Hektar
Schulungsleiter Kusnan wendet bereits seit 2010 agrarökologische Methoden an. Er erläutert, dass biologische Düngemittel aus Bananenblättern und -wurzeln sowie aus Hühnerkot und anderen Tierabfällen gewonnen werden. Zudem hat die SPI zwei Reissorten gezüchtet, die an die Bedingungen zur Trocken- beziehungsweise Regenzeit angepasst sind. Zur Behandlung von Schädlingen züchtet die Kooperative eigene Bakterienkulturen. Häufig vermittelt Kusnan auch in staatlichen Kursen agrarökologische Methoden.
Wöchentlich muss einmal gedüngt werden. Der Arbeitsaufwand liegt dadurch höher als zuvor. Die Landwirte beschäftigen wegen der niedrigen Feldgrößen jedoch meist keine Landarbeiter. Der zusätzliche Aufwand wird in der Regel selbst übernommen, so dass keine zusätzlichen Ausgaben entstehen.
Demgegenüber stehen drastisch verringerte Kosten: Beim konventionellen Anbau liegen diese bei rund fünf Millionen Rupien (300 Euro) pro Hektar und Jahr, vor allem wegen der stark gestiegenen Düngemittelpreise. Die agrarökologische Produktion hingegen kostet jährlich nur eine Million Rupien (60 Euro). Trotz staatlicher Subventionen für chemische Düngemittel verringern sich die Ausgaben somit deutlich.
Der entscheidende Faktor für die Landwirte sind jedoch die Ernteerträge. Diese liegen zu Beginn der Umstellung etwas niedriger als zuvor. Bereits im dritten Jahr erreichen sie jedoch die Höhe der konventionellen Produktion.
Jährlich sind drei Anbauzyklen möglich; die Erträge liegen bei bis zu zehn Tonnen pro Hektar in der Regenzeit plus zweimal sechs Tonnen in der Trockenzeit. Trotz der geringen Feldgrößen können die Landwirte somit von den Erträgen gut leben. Zumal SPI die Ernten lagert und mit anderen Kooperativen austauscht. Hierdurch werden Zwischenhändler umgangen und Preisschwankungen vermieden. Denn die Landwirte sollen „zu Handelnden werden, nicht zum Objekt anderer“, so Kusnan.
Jambi: Agrarökologie auf Gemeinschaftsland
Auf Sumatra, der größten Insel Indonesiens, konnte FIAN das SPI-Büro in Jambi besuchen. Während anderswo in Sumatra große Teile des Regenwalds abgeholzt wurden und riesige Palmöl-Plantagen dominieren, setzen viele Landwirte dort auf einen diversifizierten Anbau, der nur geringe Inputs erfordert. Auf wenigen Hektar werden Süßkartoffeln, Wasserspinat, Papaya, Ananas, Mais, Kokosnüsse, Taro-Knollen, Bohnen und Ölpalmen angebaut und zudem eine Entenzucht betrieben. Auch hier liegen die Erträge hoch.
Die Bauerngewerkschaft SPI betreibt vor Ort Versuchsfelder mit Mais, Spinat, Erdnüssen, Chilis und Gurken. Organischer Dünger wird aus Gurken, Bananenstauden und Ananas hergestellt. Die Abdeckung der Felder erfolgt durch Bananenblätter statt durch Plastikfolie. Der Insektenschutz wird mit Zwiebeln, Tabakblätter und Ananas gewährleistet; ein hieraus gewonnener Sud wird wöchentlich rotierend eingesetzt. Chili-Pflanzen und Erdnüsse werden in Reihen abwechselnd gepflanzt, da auch hierdurch der Insektenbefall reduziert wird. Der Schutz von Mais erfolgt durch Wasserspinat.
Die Versuchsfelder sind den Landwirten in der Region gut bekannt, da wegen der in kurzer Zeit verdoppelten Düngerpreise ein hohes Interesse an neuen Anbaumethoden besteht. Die ersten agrarökologischen Schulungen sollen Ende 2023 starten.
Mittelfristig sind dezentrale Trainings bei den Mitgliedern der Gewerkschaft geplant. Alle Dörfer verfügen über Gemeinschaftsland. Die SPI setzt sich dafür ein, dass dieses künftig ökologisch bewirtschaftet wird.
Unterstützung von Präsident Widodo
Der Anfang 2024 aus dem Amt scheidende Präsident Joko Widodo hat viele Erwartungen der Zivilgesellschaft nicht erfüllt. Die Ausweisung riesiger Flächen für die Agrarindustrie („food estates“) und die Aushöhlung von Arbeitsrechten und Umweltschutzvorschriften im Gesetzespaket Omnibus Law riefen landesweite Proteste hervor.
Dennoch sucht Widodo immer wieder den Schulterschluss mit Gewerkschaften und Bauernverbänden. So wurde die SPI in eine Arbeitsgruppe zur Umsetzung der indonesischen Landreform und zur Lösung von Landkonflikten berufen; auch hierbei gibt es eine Kooperation mit FIAN. Zudem rief die Regierung als Reaktion auf die COVID-Krise ein Programm für Ernährungssouveränität aus, in dessen Rahmen in jeder Provinz agrarökologische Musterfelder eingerichtet werden. Felder von SPI wurden hierin berücksichtigt und erhalten eine Förderung.
Im April 2023 wurde die SPI zu einem Austausch über Agrarökologie in den Präsidentenpalast eingeladen. Im selben Monat besuchte Präsident Widodo das SPI-Regionalbüro in Tuban und ließ sich über die agrarökologischen Schulungen unterrichten. Offenbar mit Erfolg: „Was der Bauernverband SPI hier durchführt, kann auch in anderen Gebieten umgesetzt werden. Dadurch werden die Kosten für die Landwirte reduziert und eine Abhängigkeit von chemischen Düngemitteln und Importen verhindert“, so der Präsident nach dem Besuch.
Zur Wahl im Frühjahr 2024 stehen jedoch mehrere Kandidat*innen zur Wahl, die sich für die Ausweitung des Rohstoffabbaus und der industriellen Landwirtschaft aussprechen. Ein langfristiger Erfolg agrarökologischer Anbaumethoden ist also durchaus nicht sicher. Unsere Kolleg*innen in Deutschland und die Bauerngewerkschaft SPI haben hierzu während der Besuchsreise eine weitere Kooperation vereinbart.