Mohamed Conteh zu Gast in Wien

Bis heute leidet die Bevölkerung im sierra-leonischen Makeni unter den negativen Folgen eines einstigen Vorzeigeprojekts europäischer Entwicklungsbanken, darunter auch der österreischen OeEB. In der vergangenen Woche war der sierra-leonische Aktivist Mohamed Conteh in Wien zu Gast und versuchte gemeinsam mit FIAN bei Politik und Öffentlichkeit auf den Fall aufmerksam zu machen.

Mohamed Conteh war mit zwei großen Zielen nach Wien gekommen. „Zum einen hoffe ich natürlich auf Hilfe für die betroffenen Gemeinden in unserem konkreten Fall“, sagte der Gründer des Sierra Leone Network on the Right to Food (SiLNoRF) aus Makeni im Norden des Landes. „Vor allem will ich aber, dass die Politiker*innen in Europa zuhören und daraus für die Zukunft lernen. Ich will ein Bewusstsein dafür schaffen, was in Makeni schief gelaufen ist.“

Im Fall Addax/Sunbird war das eine ganze Menge: Im Jahr 2008 mit Krediten europäischer Entwicklungsbanken (darunter die österreichische Entwicklungsbank OeEB und die deutsche DEG/KfW) noch als Vorzeigeprojekt gestartet, bezeichnet Mohamed Conteh das Projekt heute als „Musterbeispiel für gescheiterte Entwicklungszusammenarbeit“. Die Fabrik, in der massenhaft Zuckerrohr von den 85.000 Hektar Ackerfläche zu Bioethanol für den europäischen Treibstoffmarkt verarbeitet werden sollte, steht seit Jahren still; die OeEB hat ihr Geld längst aus dem Projekt abgezogen. Die alten Pachtverträge der Konzerne bleiben aber weiterhin bestehen – mit dramatischen Folgen für die Menschen im Projektgebiet: Ihr Zugang zu Wasserquellen und Land ist bis heute massiv eingeschränkt, die Böden sind ausgelaugt, Jobs im Projekt gibt es nur noch wenige.

Treffen mit Vertretern verschiedener Parteien

Mohamed Conteh war nach Wien gekommen, um auf die desaströse Entwicklung aufmerksam zu machen. „Auch wenn die OeEB nicht mehr direkt am Projekt beteiligt ist, hat sie mit ihrer Förderung doch zu der Situation beigetragen, die wir heute sehen“, betonte Conteh. „Wir erwarten, dass sie zu ihrer Verantwortung steht.“ Gemeinsam mit Vertretern von FIAN traf Conteh unter anderem Dr. Stefanie Krisper (entwicklungspolitische Sprecherin der NEOS) sowie Waltraud Rabitsch, Fachreferentin Armutsminderung, Ländliche Entwicklung, Dezentralisierung der ADA, um politische Schritte im Fall Addax/Sunbird und notwendigen Mechanismen für ähnliche Projekte in der Zukunft zu diskutieren.

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M. Conteh mit Bernhard Bouzek (Stadt Wien)

Außerdem berichtete Mohamed Conteh auch bei Bernhard Bouzek von der Magistratsdirektion Europa und Internationales der Stadt Wien von den jüngsten Entwicklungen in seiner Heimat. Die Stadtverwaltung finanziert in Sierra Leone Seminare und Trainings, durch welche Kleinbäuerinnen und Kleinbauern über ihre Rechte aufgeklärt werden und in ihrer Verhandlungsposition gegenüber Investoren gestärkt werden sollen. Für Conteh ein wichtiger Schritt mit Blick auf künftige Projekte: „Hätten die Menschen in Makeni ein solches Training vor zehn Jahren bekommen, wären sie Addax damals definitiv anders gegenüber getreten.“

Lebhafte Diskussion bei Filmabend

Am Abend des 18. Juni versammelten sich dann Studierende und andere Interessierte im Neuen Institutsgebäude der Universität Wien. FIAN zeigte dort in Kooperation mit den Instituten für Afrikawissenschaften und Geographie die Dokumentation „Herr Abass und das geklaute Land“ über die Landnahme in Sierra Leone. Anschließend diskutierten die Gäste mit Conteh lebhaft über Landinvestitionen und Landrechte, aber auch über die fragile Situation in Sierra Leone im Allgemeinen.

„Der Besuch von Mohamed Conteh in Wien war ein wichtiger Schritt, um in der Öffentlichkeit und der Politik Bewusstsein dafür zu schaffen, welche gravierenden Folgen das Handeln europäischer Akteure im Ausland haben kann“, sagte Linnéa Richter, Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei FIAN Österreich, zum Abschluss des Besuchs.

FIAN wird den Landgrabbing-Fall im Norden Sierra Leones gemeinsam mit Mohamed Conteh und SilNoRF weiter begleiten und sich politische dafür einsetzen, bindende Mechanismen zu schaffen, um menschenrechtskonformes Handeln europäischer Akteure im Ausland zu gewährleisten.

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