Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte in Österreich

UNO stellt schwere Mängel fest Wien 5.12.2013 - Die vierte Prüfung Österreichs durch das UN WSK Komitee ist abgeschlossen. Mit 25 Empfehlungen reagierte das Expert_innengremium der UNO auf den zivilgesellschaftlichen Parallelbericht des WSK-Rechte Forums unter Federführung von FIAN Österreich.

Besorgnis äußerte das Komitee über die hartnäckig anhaltenden, strukturellen Menschenrechtsdefizite in Österreich. Die fehlende direkte Anwendbarkeit des Wirtschafts- und Sozialpaktes ebenso wie das fehlende, unabhängige, nationale Menschenrechtsinstitut sind nur zwei Beispiele. Trainingsprogramme zur Einklagbarkeit von WSK-Rechte für die juristischen Berufsgruppen sind dringend erforderlich.

Die Expert_innen bezogen ebenfalls Stellung zur steigenden Armut in Österreich, zu Verletzungen des Rechts auf frei gewählte Arbeit (Art. 6) und auf einen angemessenen Lebensstandard (Art. 11) durch Sanktionen des Arbeitsmarktservices. Weitere Empfehlungen gab es zur Verbesserung der Situation von Asylwerber_innen einschließlich ihres Zugangs zum Arbeitsmarkt und zur Reform der bedarfsorientierten Mindestsicherung.

Recht auf angemessenen Lebensstandard: Nahrung, Kleidung, Wohnung

Das WSK-Rechte Forum hatte in seinem Statement auch die zunehmende Abhängigkeit armutsbetroffener Menschen von privaten Hilfsorganisationen kritisiert. „Das Komitee reagierte beinahe ungläubig auf die Information, dass im Jahr 2012 in Wien bis zu 12.000 Menschen von nur einer Organisation mit Nahrungsmittelhilfe versorgt wurden“, berichtet Elisabeth Sterzinger, Vorsitzende von FIAN Österreich und Koordinatorin des WSK-Rechte Forums. Eine umfassende Strategie zur Umsetzung des Rechts auf Nahrung, welches auch sozial benachteiligte Gruppen in den Fokus nimmt, soll hier laut Empfehlung des Komitees Abhilfe schaffen. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung muss an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten angepasst werden. „Zur Eindämmung der existenzgefährdenden Sanktionen im System von AMS und BMS empfiehlt das Komitee dringend einen regelmäßigen Dialog zwischen Arbeitslosenvertreter_innen und dem AMS,“ erklärt Martin Mair von den Aktiven Arbeitslosen.

Unterstützung durch den UN Sozialausschuss erhält auch die Wohnungslosenhilfe, deren Dachverband BAWO sich am zivilgesellschaftlichen Schattenbericht beteiligt hatte: 4.936 Delogierungen wurden 2012 durchgeführt, wodurch 14.808 Menschen wohnungslos wurden.

„Ausreichende Mittel für den sozialen Wohnbau müssen zur Verfügung gestellt werden und benachteiligte Bevölkerungsgruppen durch Mietbeihilfen unterstützt werden. Zum tatsächlichen Ausmaß und der Ursachen von Wohnungslosigkeit müssen systematisch Datenerhebungen durchgeführt werden“, lauten die Empfehlungen des Komitees.

Besonderer Diskriminierung ausgesetzt: Asylwerber_innen, Menschen mit Behinderung und (immer noch) Frauen

Das WSK-Rechte Forum kritisierte, dass die Grundversorgung von Asylweber_innen nicht ausreichend ist, der Zugang zum Arbeitsmarkt ist ihnen durch zahlreiche gesetzliche Einschränkungen praktisch verwehrt. Asylwerber_innen sollen vollen Zugang zum formalen Arbeitsmarkt erhalten, damit sie selbst für sich sorgen können, meint das WSK Komitee zu dieser menschenrechtlichen Problemlage. Jenen, die keine Arbeit finden können, muss die bedarfsorientierte Mindestsicherung gewährt werden.

Für Frauen sollen verstärkt Zugang zu Vollzeitarbeitsplätzen erhalten, besonders auch durch den weiteren Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit sowie ein größerer Frauenanteil in Entscheidungspositionen – sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor - sind weitere Empfehlungen zur Verringerung des eklatanten Einkommensunterschieds von Männern und Frauen (Gender Pay Gap).

Für Menschen mit Behinderungen, die in Werkstätten tätig sind, fordert das WSK Komitee ausreichende Entlohnung und Zugang zu einer unabhängigen Alterspension.

Insgesamt ist eine Harmonisierung der Antidiskriminierungsgesetzgebung dringend notwendig, sodass alle Diskriminierungsgründe einbezogen werden.

Mängel auch in den internationalen Verpflichtungen Österreichs

Der Schattenbericht blickte auch über die österreichischen Grenzen hinaus, denn Österreich hat auch internationale menschenrechtliche Verpflichtungen. Auch hierzu nahm das Komitee Stellung: „Die Empfehlung zur Einrichtung von beispielsweise menschenrechtlichen Folgeabschätzungen in der Entwicklungszusammenarbeit und anderen Außenwirtschaftsbeziehungen, sind ein Erfolg unseres Parallelberichts,“ so Gertrude Klaffenböck von FIAN Österreich. 

 

Concluding Observations/Abschließende Empfehlungen des UN WSK Komitees


Parallelbericht


Kontaktpersonen:

Elisabeth Sterzinger,  lisa.sterzinger@aon.at 0043 664 85 46 290

Gertrude Klaffenböck, FIAN Österreich, gertrude.klaffenboeck@fian.at 0043 650 40 555 11

Das WSK-Rechte Forum ist ein Zusammenschluss von nicht-staatlichen Organisationen zum Zwecke der Ausarbeitung eines Schattenberichts zum 5. Regierungsbericht an das UN-WSK-Komitee. Die darin vertretenen Organisationen sind: Aktive Arbeitslose, AUGE Alternative und Grüne GewerkschafterInnen, Asylkoordination, Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohnungslosenhilfe (BAWO), FIAN Österreich, Frauen:Rechte jetzt! NGO Forum CEDAW in Österreich, Netzwerk Kinderrechte Österreich, Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), Österreichische Armutskonferenz, Österreichischer Berufsverband der SozialarbeiterInnen (OBDS), Österreichische HochschülerInnenschaft, Orientexpress Frauenberatungsstelle, Sichtbar bleiben – Selbstorganisation von Armutsbetroffenen

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