Land - In wessen Hand?

Wem gehören Wald, Wiesen und Äcker in Österreich? Eine nicht einfach zu beantwortende Frage, denn die Datenlage ist von Intransparenz entlang der Interessen von Großeigentümer*innen gekennzeichnet. Fest steht, Reichtum in Form von Grund und Boden konzentriert sich zunehmend in den Händen Weniger.

Von Brigitte Reisenberger, FIAN Österreich

In Österreich wird die landwirtschaftliche Nutzfläche von 2,73 Millionen Hektar sukzessive weniger. 1999 waren es noch 3,3 Millionen Hektar Agrarflächen. Täglich werden 22 Hektar verbaut, das entspricht einer Fläche von über 30 Fußballfeldern. Österreich gehört damit europaweit zu den Ländern mit dem größten Rückgang an landwirtschaftlichen Flächen.

Aber wem gehört eigentlich der Grund und Boden in Österreich? Eine nicht einfach zu beantwortende Frage, denn die Datenlage ist von Intransparenz entlang der Interessen von Großeigentümer*innen gekennzeichnet.  Fest steht, Reichtum in Form von Land und insbesondere Wald konzentriert sich zunehmend in den Händen Weniger.

Die Top 3: Staat, Adel, Klöster

Die Bundesforste sind mit 850.000 Hektar (entspricht zehn Prozent der Staatsfläche) der mit Abstand größte Grundeigentümer des Landes. Die Stadt Wien folgt mit etwa 58.000 Hektar. Danach reihen sich ehemalige Adelsfamilien und Klöster. Umfassende und aufschlussreiche Daten zu Fragen der Landkonzentration und -verteilung zu bekommen ist schwierig, die größten Grundeigentümer*innen werden nirgendwo offiziell veröffentlicht. Laut journalistischen Recherchen sind die größten kirchlichen Eigentümer das steirische Benediktinerstift Admont, die Chorherren von Klosterneuburg, das Prämonstratenserstift Schlägl sowie die Klöster von Göttweig, Kremsmünster, Heiligenkreuz und Melk. Weite Teile der österreichischen Wälder, Wiesen und Äcker kontrollieren die Blaublütler Esterházy, Mayr-Melnhof-Saurau, Liechtenstein, Schwarzenberg, Habsburg, Coburg & Gotha, Starhemberg und Schaumburg-Lippe. Diese Riesengüter wurden erheiratet oder ererbt.

Wald in Privathand

Die „Land- & Forstbetriebe Österreich“, die Interessenvertretung der Großagrarier und Großgrundbesitzer in Österreich, repräsentiert 640 heimische Forst- und Landwirtschaftsbetriebe. Die Mitgliedsflächen machen insgesamt 1,6 Millionen Hektar aus – der Großteil davon ist Wald. In Österreich sind 82 Prozent des Waldes in Privatbesitz, nur in Portugal ist noch mehr Wald privatisiert. Der EU-Durchschnitt liegt bei 52 Prozent. Die Landwirtschaftsbetriebe der „Land- & Forstbetriebe Österreich“ sind überwiegend im Ackerbau tätig und bewirtschaften in Summe 60.000 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche. Die durchschnittliche Größe eines landwirtschaftlichen Mitgliedsbetriebes beträgt 420 Hektar, der österreichweite Durchschnitt liegt bei weniger als 20 Hektar. Letztes Jahr trat der Verein im Zuge der Debatte um eine Grunderwerbssteuererhöhung vehement gegen diese „versteckten Erbschaftssteuern“ auf, denn diese „dienen nur der Befriedigung sozialistischer Ideologien“. Die Land- & Forstbetriebe riefen gar zu einer „Protestversammlung gegen Vermögenssteuern und Enteignung“ auf. Ihr Präsident Felix Montecuccoli, Präsident der Land- & Forstbetriebe, befürchtete durch eine Steuerreform auf Grund und Boden „einen Angriff auf die ganze Gesellschaft“. In Anbetracht des Entrüstungssturms könnte mensch fast annehmen, die Regierung hätte eine umfassende Bodenreform angekündigt. Eine Debatte darüber liegt jedoch in weiter Ferne, obwohl aus einer menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Perspektive bei der Landverwaltung in Europa dringenden Reformbedarf besteht. Europa gilt gewöhnlich als Vorzeigebeispiel für gelungene Landverwaltung. Diese Einschätzung setzt jedoch ein sehr enges Verständnis von Land voraus. Landverwaltung wird dabei in erster Linie als eine technische Angelegenheit gesehen, die sich durch starke (private) Eigentumsrechte, gut funktionierende Grundkataster und Landmärkte auszeichnet. Hand in Hand mit der üblichen technischen Herangehensweise an Landverwaltung geht das dominante Produktionsmodell. Die EU ist der weltweit größte Nahrungsmittelexporteur. Eine Tatsache, die von vielen europäischen politischen Entscheidungsträger*innen als Erfolgsbeweis gewertet wird. Dieser „Erfolg“ begründet sich jedoch auf einem sozial und ökologisch destruktiven Landwirtschaftsmodell. Das zunehmend industrialisierte Ernährungs- und Agrarsystem ist abhängig von fossiler Energie, der Ausbeutung von Arbeitskräften und vom Import weit entfernter Ressourcen (beispielsweise virtuelles Land und Wasser) in Form von Futtermitteln.

„Wachsen oder Weichen“

Jedes Jahr werden zehntausende Kleinbäuer*innen aus der Landwirtschaft gedrängt, während größere Betriebe und die Agrarindustrie rapide expandieren. Politische Repräsentant*innen, agrarindustrielle Interessensgruppen und Lobbys (oft als Teil der mächtigen „Dreifaltigkeit“ von Raiffeisen, Landwirtschaftskammer und Bauernbund) bezeichnen diesen Prozess als „naturgegebenen“ und „notwendigen“ „Strukturwandel“. Diesen Trend vorantreibende politische Rahmenbedingungen dahinter bleiben unthematisiert. Das „Bäuer*innensterben“ trifft hauptsächlich kleine und mittlere Betriebe und verstärkt die Landkonzentration. In Österreich verdoppelte sich zwischen 1951 und 2007 die durchschnittliche Betriebsgröße. Wurde 1995 von einem österreichischen Betrieb im Durchschnitt eine Gesamtfläche von 31,8 Hektar bewirtschaftet, so waren es 2013 bereits 43,5 Hektar.

Besitzverhältnisse wie in Lateinamerika

In vielen europäischen Ländern ähnelt der ungleiche Zugang zu Land jenen Ländern, die für die ungleiche Verteilung von Landbesitz bekannt sind, wie beispielsweise Brasilien, Kolumbien und die Philippinen. Fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe in Europa sind kleine Bauernhöfe mit weniger als zwei Hektar, die aber nur zwei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche kontrollieren. Dem gegenüber nutzen Grundbesitzer*innen mit über 100 Hektar, das sind gerade drei Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe, die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Fläche in der EU. Diese „Landeliten“ werden im Rahmen der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) aktiv durch öffentliche Gelder gefördert – unter anderem durch flächenbezogene Subventionen. Dominante Investitionspolitiken bevorzugen ein industrialisiertes Agrarmodell sowie große Landeinheiten und befördern in vielen Fällen die nicht-landwirtschaftliche Nutzung von Land (zum Beispiel Zersiedelung, touristische Enklaven, kommerzielle Großprojekte). Das stellt einen wichtigen Anreiz für Großbetriebe, Agrarbusiness und Spekulanten dar – speziell in Süd- und Osteuropa.

Land Grabbing vor unserer Haustür

Viele österreichische Großinvestor*innen sind bereits dazu übergegangen, sich in Süd- und Osteuropa im großen Stil Land zu sichern. In Ungarn befinden sich ungefähr 1 bis 1,5 Millionen Hektar Land in den Händen von ausländischen Investor*innen, viele von ihnen aus Österreich. Der größte in österreichischer Hand befindliche Betrieb bewirtschaftet etwa 4.000 Hektar. In Rumänien sollen sich trotz gesetzlicher Hürden schon lange etwa 700.000 Hektar oder 8,5 Prozent der rumänischen landwirtschaftlichen Fläche in den Händen von transnationalen Unternehmen befinden. Österreichische Investor*innen sollen sechs Prozent davon kontrollieren.

Preisschlachten um die besten Äcker

Aber auch in Österreich ist spätestens seit der Finanzkrise 2008 der agrarische Bodenmarkt stark umkämpft. „Solide Werte“ wie Grund und Boden sind begehrt wie lange nicht. In den Kleinanzeigenteilen einschlägiger Agrarmedien wie der Bauernzeitung tummeln sich Zahnärzt*innen, Rechtsanwält*innen, Banker*innen oder Apotheker*innen, die bereit sind, für Ackerflächen hunderttausende Euros hinzulegen. Das treibt die Preise für Ackerland weiter in die Höhe, bereits jetzt ist Österreich im europäischen Vergleich ein Hochpreisland. Die Branchenfremden blättern oft bedeutend mehr als den ortsüblichen Preis hin. Nur rein theoretisch ist der Erwerb von Agrarflächen im Grundverkehrsgesetz so geregelt, dass Käufe zu überhöhten Preisen beeinsprucht werden können und ortsansässige Landwirt*innen beim Zuschlag bevorzugt werden. Angehende oder umliegende Bäuer*innen haben in der Realität oft das Nachsehen. Ihre offizielle Interessensvertretung – die Landwirtschaftskammern – haben ihre Beratungstätigkeiten einstweilen auf den Kauf land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke durch Nicht-Landwirte ausgedehnt.

Widerstand ist fruchtbar

Kleinbäuer*innen aus der Landwirtschaft zu drängen und den Zugang zu Land für angehende Bäuer*innen zu blockieren, sind zwei zusammenhängende Phänomene, die vom Trend zu wenigen, dafür aber größeren landwirtschaftlichen Betrieben geprägt werden. Immer mehr Menschen, angehende Bäuer*innen, Konsument*innen oder Stadtgärnter*innen, stellen sich diesem Trend entgegen. Neben defensiven Kampagnen gegen Großprojekte, Enteignungen und der nicht-landwirtschaftlichen Nutzung von Land gibt es auch proaktive Kampagnen, in denen Menschen ihr Recht auf die Kontrolle über Land praktisch realisieren und dabei selbst über Zweck sowie Art und Weise der Kultivierung des Landes bestimmen. Diese Proteste bringen oft Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammen und verbinden nicht selten den ländlichen und städtischen Raum. Viele Initiativen setzen sich für Land- bzw. für Bodenfreikauf ein, wie die Bodenfreiheit, ein Verein zur „Erhaltung von Freiräumen“ in Vorarlberg, oder Bodenfreikauf in der Steiermark, die mit dem Ziel eine landwirtschaftliche Fläche kaufen wollen, diese Fläche dem Markt dauerhaft zu entziehen und zur Selbstversorgung nicht-kommerzielle Landwirtschaft zu betreiben. Der Verein Rasenna bereitet eine Stiftungsgründung vor, um Landflächen an sozial-ökologische Initiativen zur Nutzung zu übergeben. Der Verein NEL – Netzwerk Existenzgründung in der Landwirtschaft fördert außerfamiliäre Hofnachfolge und Existenzgründung in der Landwirtschaft. In Europa und auch Österreich kommt es immer öfter zu Landbesetzungen. In Wien hat die Initiative Solidarisch Landwirtschaften! (SoliLa!) in Jedlersdorf 2012 Agrarflächen der Universität für Bodenkultur besetzt, um die Umwandlung für kommerzielle Zwecke zu verhindern und für den Aufbau einer Solidarischen Landwirtschaft (CSA) zu nutzen. Zuletzt setzt sich mit Feld X in Rothneusiedl eine Gruppe stadtlandwirtschaftender Menschen für eine selbstorganisierte Nutzung der Felder des ehemaligen Haschahofs ein.

Grund und Boden auch als Commons

Wir alle sind von der Ressource Land abhängig. Land muss daher auch wieder (Stichwort Allmende) als Gemeingut betrachtet werden. Der Zugang zu Land ist eine Grundvoraussetzung für Ernährungssouveränität. Soziale Bewegungen wie die kleinbäuerliche Bewegung La Vía Campesina sind sich bewusst, dass Ernährungssouveränität nur dann erfüllt werden kann, wenn sie auch Land als ein Gemeingut zurückfordern und unsere Gemeingüter durch kollektive, demokratische und gemeinschaftliche Kontrolle verwaltet werden. Der Zugang zu Land muss Gegenstand demokratischer Aushandlungs- und Gestaltungsprozesse zu sein. Auch die Verwirklichung des Menschenrechts auf angemessene Nahrung verlangt nach einer nachhaltigen Produktion von und dem Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln für alle. Das beinhaltet das Recht der Menschen, ihre Lebensmittelversorgung so zu organisieren, dass sie ihren eigenen Entscheidungen und Präferenzen über Produktion und Konsum entspricht. Die Verwaltung von Land und natürlichen Ressourcen muss daher auch in Österreich auf die ökologisch und sozial gerechte Produktion von Lebensmitteln für die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung abzielen. Kleinbäuerliche und ökologische Landwirtschaft muss Vorrang gegenüber konzentrierter, kommerzialisierter und industrialisierter Landwirtschaft bekommen, die nur den Profitinteressen einiger Weniger dient.

Dieser Artikel erschien am 9. August auf mosaik-blog.at

Mikrofinanzkrise: OECD-Beschwerde gegen Oikocredit

Mikrokredite entpuppen sich in Kambodscha seit Jahren als Schuldenfalle. Während sie europäischen Investoren Profite bringen, führen sie vor Ort zu Landverlust, Armut und Menschenrechtsverletzungen. Trotzdem hat der sogenannte „ethische“ Investor Oikocredit seine Investitionen in Kambodscha sogar noch erhöht. Drei NGOs legen daher nun Beschwerde gegen Oikocredit bei der OECD ein.

Kambodscha: Von deutscher Bundesregierung geförderte Studie bestätigt gravierende Probleme im Mikrokreditsektor

Eine vom deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderte Studie bestätigt das Problem der weitverbreiteten Überschuldung in Kambodscha durch Mikrokredite. Dieses führt zu einer „bedenklich hohen“ und „nicht akzeptablen“ Zahl von Landverkäufen. Wichtige Geber des kambodschanischen Mikrofinanzsektors sind verschiedene europäische und multinationale Entwicklungsbanken sowie private „ethische“ Investoren wie Oikocredit, Triodos Bank, Invest in Visions, Vision Microfinance und mit kleineren Beträgen die Bank im Bistum Essen und GLS Bank.
 

Kambodscha: Beschwerde bei Ombudsstelle der Weltbank-Tochter IFC wegen Menschenrechtsverletzungen im Mikrofinanzsektor

Die Ombudsstelle der International Finance Corporation (IFC), ein Mitglied der Weltbank-Gruppe, hat eine Beschwerde gegen sechs Mikrofinanzinstitutionen und Banken angenommen, die von der IFC finanziert werden. Diesen werden Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen IFC-Leistungsstandards bei der Vergabe von Mikrokrediten in Kambodscha vorgeworfen. Die sechs Institutionen werden auch durch europäische Entwicklungsbanken und private Investoren finanziert.

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